Messe-Blog

Bühne für Bücher

21. März 2010
Redaktion Börsenblatt
Wer auffallen will, muss trommeln - wenn das alle gleichzeitig tun, kann man schon mal Ohrenschmerzen bekommen. Manchmal ist die Messe an ihren Rändern spannender: So wie beim Treffen "It's a Book, It's a Stage, It's a Public Place", das im Leipziger Centraltheater rund 15 Independent-Verlage aus Kunst und Kultur vereint.

Während Cosplayer und Publikums-Massen draußen auf dem Messegelände das Vorwärtskommen nur noch in Extrem-Zeitlupe ermöglichen, die Buchmesse zum Karneval wird, dem die wichtigeren unter den Profis (wenn sie nicht schon weg sind) rasch zu entkommen suchen, herrscht im Foyer des Leipziger Schauspielhauses, das neuerdings "Centraltheater" heißt, entspannte Chill-out-Stimmung. Zwischen den Garderobentresen liegen auf hufeisenförmig gestellten Tischen Bücher und Zeitschriften, die man in keiner Ketten-Filale zu Gesicht bekommt; Preziosen, die - oft in winzigen Auflagen erschienen - dennoch rund um den Globus auftauchen: In den Regalen von "Printed Matter" in New York ebenso wie bei "Pro qm" in Berlin, "The Book" in Seoul oder "Jura Books" in Sidney. Frei arbeitende Autoren, Graphik-Designer und Künstler haben das Buch als Bühne kollektiver Wissensproduktion für sich entdeckt. Verlage und Publikationsprojekte mit so hübschen Namen wie argo und Archive, August, Edition Fink, EXP.edition, Krachkultur, Lubok, MetroZones, Motto oder Starship begreifen sich als Teil eines Netzes, das relativ autark und in zunehmendem Maß auch international publiziert.

Entdeckungen und Kaffee-Flatrate

Das eintägige Treffen "It's a Book, It's a Stage, It's a Public Place", das der Leipziger Verlag Spector Books zusammen mit dem Centraltheater organisiert hat, versteht sich als ein Knotenpunkt in diesem Netzwerk. Und die Idee scheint aufzugehen: In der beschaulichen Ruhe des Schauspiel-Haus-Tankers diskutieren junge Kreative übers Büchermachen in globalen Zeiten, blättern in den Arbeiten ihrer Kollegen, lassen neue Ideen zünden. Leute, die bislang nur per Mail miteinander korrespondierten, reden plötzlich über die Möglichkeit einer Vertriebs-Zusammenarbeit. Zwischen den Erwachsenen wuseln Kinder, in der Theater-Kantine gibt's für die Büchermacher eine Kaffee-Flatrate. Jede Menge interessante Leute, jede Menge Entdeckungen. Warum wußte man denn bislang nicht, dass der Hamburger Textem Verlag nicht nur die tolle Kultur-Zeitschrift "Kultur & Gespenster", sondern auch Bücher herausbringt? Verleger Gustav Mechlenburg grinst: "Ich habe einen Brotjob, der mir 2000 Euro bringt, 500 davon stecke ich jeden Monat in den Verlag. Ständig gibt es tausend Dinge zu tun, für Marketing bleibt da kaum Zeit. Leider." Hier im Theater findet er Leute, denen es ähnlich geht, die aber nicht mit hängenden Schultern etwas von "Selbstausbeutung" murmeln, sondern ihr Ding machen. Das zu sehen, tut gut - auch wenn man den 'Jungen Wilden' im Garderoben-Foyer gern noch ein-, zweihundert Leute aus der Messe-Glashalle zuführen würde. Es müssten halt die richtigen sein. Noch ist das kreative Klassen-Treffen eine Geschichte für Insider.