Der Buchpreis in der Bücherwelt

22. März 2010
Redaktion Börsenblatt
Buchpreise, gerade auch der Deutsche Buchpreis, haben sich innerhalb der Branche längst als feste Institutionen etabliert. Aber wie ernst sind solche Auszeichnungen wirklich zu nehmen?  Über den Sinn und Unsinn von Buchpreisen reflektiert die Autorin Sabine Naumann.
Gibt man bei Google den Begriff „Buchpreis“ ein, kommt als erster Eintrag der „Deutsche Buchpreis“. Dieser ist ein hauptsächlich vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels organisierter Buchpreis, der durch sein hohes Preisgeld und die Medienwirksamkeit der Veröffentlichung einer Long- und Shortlist, unter anderem auch laut faz, wohl als der bekannteste Buchpreis im deutschsprachigen Raum gelten kann. 

Natürlich ist das nicht die einzige mögliche Auszeichnung innerhalb der Buchbranche, es gibt unter anderem Preise für Hörbücher, Kinderbücher, Features, Poetry Clips, besonders schöne Bücher, Lyrik, Romane verschiedenster Art, Autoren und Nachwuchsautoren, Verleger; es gibt Preise, die nach Gattungen benannt sind [Deutscher Buchpreis, Deutscher Hörbuchpreis], nach berühmten (und meist verstorbenen) Autoren [Georg Büchner Preis, Roswitha, Kleist-Preis], nach Städten [KölnLiteraturPreis, Berliner Literaturpreis, Brandenburgischer Literaturpreis] und viele mehr.

Wie wichtig aber sind in der heutigen Zeit noch Buchpreise? Bedeuten sie wirklich (nur) kostenloses Marketing, Publicity, Anerkennung und Ehre für die Gewinner und die Gewinnererzeuger?

Wer macht sich wirklich die Gedanken über die Auswahl der eingesandten Manuskripte? Sind die Jurys von den großen Verlagen geschmiert und kleine Verlage vom Land und unbekannte Autoren in diesem Bereich der Buchbranche wirklich chancenlos? Daniel Kehlmann forderte  im Rahmen des Deutschen Buchpreises von 2008 die Abschaffung ebendieses und löste damit eine große Diskussion um die Vor- und Nachteile dieser Auszeichnung aus: „Wer ihn bekam, verdankt ihm Geld und Ruhm, und äußert er Kritik, so hält man ihm vor, er bisse die Hand, die ihn fütterte.“

Doch nicht nur Autoren werden unter Druck gesetzt, man wird auch als publizierender Verlag nur als möglicher Preisträger für den Deutschen Buchpreis aufgenommen, wenn man eben Mitglied im Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist. Zahlt man die Mitgliedsbeiträge, hat man zwar generell eine Chance auf den Deutschen Buchpreis, doch leider erscheinen hauptsächlich die etablierten Verlage als Gewinner. Ob sie nun wirklich die besseren Bücher und die besseren Inhalte im Vergleich zu den „Unbekannten“ publizieren, sei jetzt mal dahingestellt. Der Deutsche Buchpreis verhilft aber vorher eher noch unbekannten Autoren zum Bestseller und lässt sie zu Marken mit Garantieabsatz werden. Dies geht eben nur, wenn der Verlag auch brav seine Mitgliedsbeiträge zahlt. Auf der Homepage des Deutschen Buchpreises steht nicht direkt, dass man zur Einreichung eines Romans Verlag und Mitglied des Börsenvereins sein muss. Diese nicht unwichtige Klausel wird nur an einer Stelle auf der gesamten Homepage erwähnt. [nämlich im Unterpunkt Teilnahme in „über den Preis“]

Inwieweit werden zum Beispiel Nichtmitglieder des Börsenvereins durch eine solche Klausel „diskriminiert“? Eigentlich aber ist es doch vollkommen logisch, dass man, wenn der Börsenverein als (Haupt-)Organisator dieses Preises auftritt,  in dieser Organisation auch Mitglied sein muss, um als Gewinner davon profitieren zu „dürfen“. Hubert Winkel andererseits propagiert das „verlagsunabhängige betrachten der Romane für den deutschen Buchpreis“. Ob diese Ansicht der Buchbranche besser bekommen würde?

Der Beltz & Gelberg Verlag, löst das „Preisproblem“ auf eine für den Verlag und den Autor sehr einträgliche Weise. Der „Peter-Härtling-Preis für Kinder- und Jugendliteratur der Stadt Weinheim“ gibt bisher unveröffentlichten Manuskripten die Möglichkeit,  im Gefallensfall  mit einer Veröffentlichung und einem satten Preisgeld prämiert zu werden.  Natürlich bekommt Beltz & Gelberg die Option auf die Erstveröffentlichung, was andere Verlage logischerweise außen vorlässt. Andererseits ist diese Art von Preis eben verlagsintern gestaltet, vor allem, da Barbara Gelberg als Lektorin für Beltz & Gelberg ebenfalls in der Jury sitzt.

Wie soll ein Preis in der Buchbranche aber nun aussehen? Sind die großen, bekannten Preise „geschmiert“, geben sich die „kleinen“ zu wenig Mühe? Aber wo kämen wir da mit unseren Vermutungen und Meinungen hin? Sollten wir nicht ein bisschen Vertrauen in die Menschheit haben? Die Meinung einer theoretisch kompetenten Jury anerkennen, außer sie prämiert Bücher mit wesensverachtenden Inhalten gegen sämtliche Moral? Im täglichen Leben müssen wir Fremden, beziehungsweise Verantwortlichen, genauso vertrauen wie eben auch in weiter gefassten Bereichen. Buchpreise sind dazu da, besondere Werke und deren Schöpfer auszuzeichnen. Wenn die größten und bekanntesten Preise nicht mehr auf ganz kleine Autoren und Verlage eingehen, müssen diese sich vielleicht auch selbst um eine gewisse Publicity kümmern. Außerdem gibt es noch zahlreiche andere Preise für die Buchbranche, die über andere Bewerbungskriterien verfügen. Auf www.uschtrin.de gibt es  unter anderem eine Auflistung von so ziemlich allen Preisen für die Buchbranche. Neben dem Mimi-Krimipreis, dem (leider nicht mehr aktuellen) Hermann und Waltraud-Konglomerat  für Nord-Westdeutschland, den 7 Minuten Leidenschaft und dem Lesbenaward, wird die Bandbreite der möglichen Buchpreise gut ausgereizt. Diese Bandbreite ist aber als Gegenpol zu den großen Buchpreisen notwendig, damit eben alle Bereiche der Buchbranche abgedeckt werden können. Man sollte sich also nicht über die eventuelle Bevorzugung von großen, etablierten Verlagen bei den bekannteren Buchpreisen beschweren, sondern als zum Beispiel noch unbekannter Autor verstärkt die kleineren Wettbewerbe mitgestalten und so die Artenvielfalt der Buchbranche stärken und schützen.

Dennoch sollten sich die Organisatoren der eher unbekannten Preise überlegen, ob sie die breite Buchbranchen-Menschenmasse vielleicht mehr auf ihre zu vergebenden Auszeichnungen aufmerksam machen sollten. Oder wollen diese Preise gar kein breites Zielpublikum haben? Sind eher klein gehaltene  Kreise an potentiellen Preisträgern besser zu organisieren, strukturieren und auszuzeichnen? Trifft es immer dieselben und das noch aus „geschmierten Gründen“? Oder ist der Alltags-Buchbranchen-Mensch zu unkreativ und hat die vielfältigen Preise am Ende gar nicht verdient? Eine Verschwörung der Buchbranche gegen den sich stark ausbreitenden Verdoofungsprozess der Gesellschaft? Da fühlt man sich ja fast wie Dan Brown im Rausch der möglichen Theorien und Vermutungen. Traurig ist allerdings, dass die Kreativität und Wortkunst anscheinend wirklich stark abgenommen hat. Was natürlich nicht heißen soll, das Gewinner wie etwa Kathrin Schmidt nichts auf dem Kasten hätten. Aber wäre es nicht wunderbar, wenn sich die Menschheit nur noch um ihre wachsende Kreativität und ihr wiederaufgekommenes Genie streiten würde? Und dieser Streit würde  in der  Praxis nur durch die Prämierung der objektiv Besten ausgetragen werden. Aber ich verliere mich schon wieder in Utopien...

Letztendlich sollen alle Preise besondere Ideen und deren Umsetzungen würdigen. Es geht also darum,  (positiv) Besonderes zu würdigen. Preise sind Auszeichnungen, ein Lob für das Ego des Gewinners. Nebenbei natürlich auch noch kostenlose Werbung, somit eine meist positiv konnotierte Marketingquelle und dadurch fast garantierter Absatz. Die Buchpreise allgemein sind also eine gute Sache, um auf das Medium Buch aufmerksam zu machen. Bei vielen dieser Auszeichnungen wünscht man sich allerdings einen breiter angelegten Zugang für die Öffentlichkeit und einen roten Faden, der die Bedeutung dieses Mediums in unserer Gesellschaft und seine Entwicklung klarmacht – neben eventuell riesigen Umsatzzahlen und Veröffentlichungsbooms.