Kommentar

Kein Casting in Leipzig

24. März 2010
Redaktion Börsenblatt
"Wie von selbst hat die Buchmesse das rechte Maß an Inszenierung gefunden". Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Holger Heimann.
Irgendwann wurde die Uhr eingeblendet: noch 2 Minuten 10 Sekunden bis zum Preis der Leipziger Buchmesse. Früher hat Messedirektor Oliver Zille die letzten Sekunden mitgezählt, das macht er nicht mehr. Preisträger Georg Klein kritisierte die Veranstaltung, die ihn an eine Castingshow erinnerte, trotzdem.
Der eine oder andere mag ihm beipflichten. Andererseits: Die Inszenierung gehört zum Buch, das möglichst viele Leser finden soll, und also zu einer Messe dazu. Man kann da schnell zu viel tun. In Leipzig aber passiert das gemeinhin nicht. Wie von selbst hat die Messe das rechte Maß gefunden. Hier steht das Buch im Mittelpunkt und nicht die Show ums Buch herum. Das mag auch daran liegen, dass die Ein-Buch-Autoren, die im Hauptberuf Fußballer sind oder mal Sänger waren und die eher Show- als begnadete Schreibtalente sind, Leipzig gern meiden. Die Bühnen hier gehören den echten Schriftstellern. Das E-Book, um das so viel Wirbel gemacht wurde, war in Leipzig allenfalls ein Hauch. Keiner hat es offenbar vermisst. Die Diskussion über neue Technologie und neue Formate ist damit natürlich nicht erledigt, aber in Leipzig galt das Interesse schlicht den Texten.
 
Als übrigens Helene Hegemann ihren Auftritt hatte – zusammen mit den anderen für den Preis der Leipziger Buchmesse Nominierten – beim traditionellen Kritiker-Gespräch, da wurde sie rasch umringt von einer Schar von Kameraleuten, die nicht an Rückzug dachten. Das Publikum sorgte schließlich mit energischen Zwischenrufen dafür, dass die Autoren zu Wort kamen. Das hier war schließlich keine Casting­show.