Neue Märkte, neue Player. Von Start-Ups in der Buchbranche

1. April 2010
Redaktion Börsenblatt
In den Diskussionen der Leipziger Buchmesse, in den Fachzeitschriften der Branche, sogar in der Erlanger Vortragsreihe "Alles Buch": Start-Ups sind überall präsent - und vielfach überall laut. Eine Diskussionsbetrachtung von Dennis Schmolk.

Wenn man von der Wahrnehmung junger Unternehmer in der Branche spricht, kommt man an einem Namen nicht vorbei: PaperC. Es handelt sich um den Betreiber einer umfangreichen Plattform für die unentgeltliche Lektüre von Fach- und wissenschaftlicher Literatur, das Geschäftsmodell fußt auf Mehrwert-Leistungen. Und damit trifft PaperC wohl den Nagel auf den Kopf: Kaum etwas ist heute so schwer zu verkaufen, wie (nicht individualisierter) Content. Deswegen sehen sich die Geschäftsführer Martin Fröhlich und Felix Hofmann auch eher als Bibliothekskonkurrenten denn als neue Akteure im Online-Handel. Dahinter steckt ein vermutlich korrekter Gedanke, denn mit sinkenden Budgets öffentlicher Bibliotheken und der vermehrten Nachfrage nach elektronischen Texten - vor allem bei Uni-Bibliotheken - könnte hier Raum frei werden für neue Ideen. In Kombination mit einer ordentlichen Zitatverwaltung wie Citavi wäre ein solches Portal tatsächlich eine Bereicherung gerade für wissenschaftliches Arbeiten. Ich jedenfalls möchte nicht mehr auf die doch recht einfache Möglichkeit des Taggens einzelner Buchpassagen verzichten - auch bei Büchern, die gedruckt und gebunden im Regal neben mir stehen.

Gesetze gefährden Geschäftsmodelle - und technischen Fortschritt

Man spricht recht offen darüber, dass PaperC noch in den roten Zahlen steht; zahlende Kunden relativieren etwaige Verluste, nicht-zahlende mehren den Datenschatz, den PaperC über seine Nutzer sammelt. Statistik und Algorithmen sollen das Angebot aufgrund dieser Daten optimieren. Bei der Diskussion "Die Jungen Wilden in der Buchbranche" kam man dann auch auf das drängende Thema zu sprechen, dass bestehende rechtliche Rahmenbedingungen viele Unklarheiten schaffen und Geschäftsmodelle gefährden. Digitale Verwertungsrechte decken (verständliche) Lücken in alten Gesetzen auf und zeigen, dass man den ganzen Buchbegriff (nicht nur des Urheberrechts) überdenken sollte - etwa wenn es um die Frage geht, was jeweils eine Ausgabe ist: Ein Absatz? Ein Kapitel? Oder nur der ganze Text? Die "staubige Buchbranche" wird mit diesen (von ihr - oder ihren Lobbyorganisationen - ja gewollten) gesetzlichen Rahmen ihrem Namen gerecht. Es fragt sich, inwieweit mit Start-Ups so auch der allgemeine technische und technologische Fortschritt gebremst wird.

Ein weiterer Teilnehmer der Diskussion, Volker Oppmann von textunes, agiert ebenfalls vollkommen digital: textunes verkauft eBooks in Form von iPhone-Apps für Verlage an den Endkunden. Die Hemmnisse bei Produzenten und Rezipienten seien weitgehend abgebaut, nun folge eine Phase der "praktischen Probleme" - etwa, welche Dateiformate den Standard für welche Inhalte bilden sollen und wie man digitale Produktion in festgefahrenen Verlagsroutinen integrieren könne. Hier setzt man wohl auch weiterhin auf (harte) Formen von DRM, sofern Verlage das wünschen - auch wenn Martin Fröhlich DRM zutreffend als "No-Go" bezeichnet hat. Gewisse Trends hat man bei textunes wohl auch noch immer nicht erkannt, was gerade bei der Diskussion um "new media" zu Tage trat: Zwar müsse man mit social media den unmittelbarsten Kontakt zum Kunden forcieren; die Wikipedia war in Oppmanns Einschätzung aber absolut den Springer-Fachmedien unterlegen. Etwas mehr Differenzierungsvermögen wünscht man sich bei den unterschiedlichen Einsatzzwecken der genannten Medien doch.

 

Künftige Definitionsfragen: Verlage, Bücher, Leser

Einen anderen Ansatz verfolgt Gregor von dem Knesebeck mit seiner Beratungsfirma "newbookbiz". Nach seinem Dafürhalten ist DRM eigentlich kein Thema mehr, die Diskussion vorbei und die Nachteile auf Seiten des Kunden eingestandene, allgemeine Wahrheit. Man will eine reine Kontaktplattform für das b2c-Verhältnis von Verlag und Leser sein und den Verlagen die Publikationsarbeit nicht abnehmen: Die Verlage sollen selber produzieren und iher "Content-Hoheit" behaupen. Die Schilderungen in Leipzig ließen leider auf nicht viel technologische Kreativität schließen. Was verhandelt wurde, waren lineare Langtexte - von den multimedialen Möglichkeiten von "electronic books" hörte man von "newbookbiz" nicht viel. Als von dem Knesebeck in der vorangeschrittenen Diskussion meinte, Verlage blieben auch in Zukunft wichtig, stellte sich mir die Frage: Was genau wird morgen ein Verlag sein - und hat er noch etwas mit dem herkömmlichen "Buch" zu tun? Wird die heutige Rolle des Verlegers noch vertreten sein - etwa, um Selektion zu betreiben und handwerkliche Erfahrung (dann eben auch im Umgang mit eBooks) einzubringen?

 

Sicher arbeitet PaperC in einem anderen Marktsegment als textunes und newbookbiz. Der STM-Markt ist wesentlich klarer gegliedert und hat modernisierende Prozesse schon öfter leichter weggesteckt als jener der Publikumsverlage. Der relative Erfolg der Plattform PeperC - nicht nur an den Nutzerzahlen und Gewinnen bemessen, sondern auch an der Professionalität des Auftritts und der Komfortabilität für den Nutzer - ist also nicht unbegründet. Trotzdem mahnt Gregor von dem Knesebeck zu Recht an, dass man langfristig denken und Geschäftsmodelle nicht nur für heute, sondern idealerweise auch für Übermorgen entwerfen müsse.