Manchmal genügen ein paar Sätze – im Börsenblatt zum Beispiel –, um einen wieder mal an das Grundsätzliche unseres Tuns und Treibens denken zu lassen, auch wenn man gleich ahnt, dass die Dinge sind, wie sie sind, und meist auch so bleiben wollen.
Ein Leser aus Wismar schrieb da unlängst in einem Leserbrief unter anderem Folgendes: "Den Mitgliedern des Börsenvereins ist es egal, wodurch ihre Ware ins Gespräch kommt, Hauptsache, es wird möglichst viel über Bücher gesprochen … Bei allem Respekt vor der akademischen Kritik in den etablierten Feuilletons: Welche Leserquote hat sie eigentlich? Steht da nicht jedes TV-Literaturmagazin in absoluten Zahlen besser da?" Etc.
Ich gebe zu, wenn ich lese »Bei allem Respekt«, dann zuckt meine Augenbraue, weil ich spüre, dass ich mich auf diesen Respekt vielleicht lieber nicht verlassen sollte. Aber ich denke zugleich, dass es womöglich doch Sinn machen kann, wieder darauf hinzuweisen, dass es – es ist so selbstverständlich, dass es gar nicht leichtfällt, das noch einmal hinzuschreiben –, dass es also nicht der Sinn von literarischer Kritik ist, ob akademisch oder nicht, »Ware ins Gespräch zu bringen«.
Ihre Aufgabe ist es vielmehr, darüber nachzudenken, was ein Autor sich mit seinem Buch vorgenommen hat und ob ihm das mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gelungen ist oder ob die Mittel dazu vielleicht nicht ausgereicht haben.
Literaturkritik, die sich ernst nimmt, ist eben gerade nicht mit dem Blick auf den Markt geschrieben, sondern mit dem Blick auf die Geschichte der Literatur (und von mir aus: des menschlichen Nachdenkens) bis zu diesem Punkt, bis zu diesem Buch, das diese Geschichte mit diesen Mitteln heutigen Lesern erzählt. Sonst nichts.
Bestimmte Zeitschriften, bestimmte Sendungen, bestimmte Veranstaltungen wollen etwas anderes. Sie wollen tatsächlich zum Kaufen anregen (bisweilen auch verleiten). Was in Ordnung ist, aber es ist nicht Kritik, denn es orientiert sich am Kunden als Käufer und nicht am Buch als literarisches Produkt.
Es ist ja nicht so, dass Bücher an sich Ware sind; sie sind vielmehr auch Ware. Und da liegt der Unterschied. Dabei ist es kein Vorwurf, wenn man feststellt, dass der Händler mehr am Warencharakter des Buches interessiert ist, vielleicht wäre er ein schlechter Händler, wäre er das nicht. Aber er wäre gewiss dann ein schlechter Händler, wenn er der Meinung wäre, es sei nichts als das, nämlich Ware. Ganz davon abgesehen, dass auch die »akademische Kritik« Leser bringt, und auf die Länge gar nicht so wenige, und die strikt Literatur-Interessierten sind vielleicht überhaupt die treuesten Leser und am Ende auch Käufer.
Irgendwer in der katholischen Kirche verhandelt vermutlich auch mit Oblatenbäckern über den Oblatenpreis, und doch ahnen alle Beteiligten, dass es hier, wenn nicht um mehr, so doch auch um anderes geht als nur um ein Backwerk, und schon gar nicht um eins zum Sattwerden/machen. Oblaten sind zumindest ein seltsames Nahrungsmittel, das anders beurteilt werden will als Semmeln.
Gut, dass es beides gibt.