Kommentar

Apples iPad: Der eingelullte User

14. April 2010
Redaktion Börsenblatt
"Der Enthusiasmus für das iPad trübt den Blick für die Nebenwirkungen." Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.
Apples iPad wird derzeit in den USA wie eine Wunderpille geschluckt. Deren amphetamingleiche Wirkung ist ganz und gar beschreiblich: leuchtende Augen, offene Münder, Lobpreisungen im Diskant, sobald die Rede auf das Multimedia-Gerät kommt. Erst recht dann, wenn man es gerade selbst erworben hat. Doch der Enthusiasmus trübt den Blick für die Nebenwirkungen, die das iPad auslöst. Schauen wir also auf den von Apple nicht mitgelieferten Beipackzettel: Wer das iPad erwirbt, begibt sich ganz in Apples Hand – vom Prozessor bis zum iBook-Store. Und wer für das iPad Apps entwickeln oder E-Books bereitstellen will, darf dies nur von Apples Gnaden. App-Produzenten müssen künftig Programmier-Werkzeuge nutzen, die Apple selbst zur Verfügung stellt. Verlage haben sich der Preisdoktrin von Apple zu unterwerfen und müssen im schlimmsten Fall mit Zensurmaßnahmen rechnen. Die Nutzer schließlich geraten – schon aus Bequemlichkeit – in eine Abhängigkeit, die sie zu passiven Konsumenten degenerieren lässt.

Der Vision eines offenen Internets, mit dem User aktiv und kreativ umgehen können, läuft Steve Jobs’ Konzept zuwider. Die große Masse wird es zwar nicht beunruhigen, von einer multimedialen Allzweck-»Glotze« inklusive E-Book-Reader eingelullt zu werden. Im Interesse der Freiheit wird es jedoch liegen, dass alternative Anbieter mit offenen Modellen in den Wettbewerb mit Apple eintreten. Denn das iPad ist der Vorläufer einer neuen, mobilen Computer-Generation, die dem Nutzer mehr abnimmt als jedes Gerät zuvor. Dies könnte auf Dauer den mündigen, kompetenten Umgang mit dem Medium schwächen.