E-Content

"Gedrucktes und Digitales wird es lange parallel geben"

15. April 2010
Redaktion Börsenblatt
Der Oldenbourg Wissenschaftsverlag und der Akademie Verlag bündeln ihr digitales Content-Angebot und entwickeln neue Formate. Geschäftsführerin Christine Autenrieth im Gespräch mit boersenblatt.net.

Sie sind jetzt seit 15 Monaten Geschäftsführerin der Oldenbourg Verlagsgruppe. Auf welches Projekt in dieser Zeit sind Sie besonders stolz?
Autenrieth: Die Online-Plattform, die wir Ende 2009 unter oldenbourg-link.com und akademie-link.com aufgestellt haben. Wir bieten dort Bücher und Zeitschriften in elektronischer Form an, es ist also keine E-Book- oder E-Journals-Plattform, sondern eine echte Content-Plattform, auf der nach Inhalten gesucht wird, nicht nach Medien.

Die neue Content-Plattform führt den Oldenbourg Wissenschaftsverlag und den Akademie Verlag enger zusammen. Denken Sie über eine weitere Integration beider Verlage nach?
Autenrieth: Die Content-Plattform ist mit erheblichen Investitionen verbunden. Deswegen lag es natürlich nahe, unsere Kräfte zu bündeln. Aber ich denke in keinem Fall daran, die Marken zusammenzuführen. Beide Verlage sollen definitiv erhalten bleiben. Sie stehen in vielfacher Hinsicht für eine sehr wertvolle Tradition, und die wollen wir hier fortführen.

Auf Oldenbourg-Link und Akademie-Link können sich Kunden registrieren und Abstracts anzeigen lassen. Gibt es auch kostenfreie Volltexte?
Autenrieth: Ja, wir bieten Autoren die Möglichkeit, ihre Inhalte nach Open Access-Modellen zu publizieren. Kostenlose Leseproben stehen jedem Besucher unseres Web-Auftritts zur Verfügung und Dozenten können kostenloses Zusatzmaterial herunterladen, wenn sie sich anmelden.

Die Inhalte der E-Books können kapitelweise gekauft werden. Gibt es schon erste Erkenntnisse über das Kaufverhalten?
Autenrieth: Das wäre noch zu früh. Bisher ist die Nachfrage noch gering, aber das mag sich ändern, wenn wissenschaftliche Inhalte verstärkt modular angeboten werden. Denken Sie beispielsweise an unsere Akademie-Studienbücher, die sehr modular aufgestellt sind.

Inwieweit hat bei den Überlegungen, die Content-Plattform einzurichten, die Nachfrage der Kunden, etwa der Wissenschaftler, eine entscheidende Rolle gespielt?
Autenrieth:
Die Nachfrage der Kunden spielt selbstverständlich immer die entscheidende Rolle. Bibliotheken müssen Inhalte digital vorhalten. Es gibt ein starkes Bedürfnis seitens der Wissenschaftler, Inhalte digital zu recherchieren und zu verarbeiten. Wissenschaftler recherchieren außerdem gerne inhaltsbezogen; deshalb finden Sie bei uns Buch- und Zeitschrifteninhalte nebeneinander. Für unsere wissenschaftlichen Autoren ist nicht nur das Finden wichtig, sondern auch das Gefunden-Werden. Mit der Content-Plattform stellen wir sicher, dass ihre wissenschaftlichen Arbeiten leicht gefunden und digital korrekt zitiert werden können.

Gibt es weitere konkrete Vorhaben, über die Sie sprechen können?
Autenrieth: Für uns steht der Ausbau der Online-Plattform an erster Stelle. Wir werden darauf weitere Titel anbieten – auch in neuen Formaten und Produktformen. Es wird neben dem E-Book, das das gedruckte Buch ergänzt, originäre E-Produkte geben. Mit Hochdruck arbeiten wir an nachhaltigen Geschäftsmodellen für das so genannte E-Lehrbuch oder, anders gesagt, für E-Content in der akademischen Lehre. Wir benötigen vielfältige Antworten in einer sich verändernden Studienlandschaft.

Was bedeutet die zunehmende Digitalisierung für das Geschäft mit den gedruckten Büchern bei Oldenbourg?
Autenrieth: Ich rechne damit, dass wir Gedrucktes und Digitales lange parallel publizieren werden. Wir werden noch über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte Bücher drucken. E-Books werden sich einerseits als Ergänzung zum gedruckten Buch zunehmend etablieren. Andererseits werden wir originäre E-Produkte und E-Services entwickeln, die noch ganz andere Nutzenvorteile bieten.

Sind Lehrbücher nach wie vor als gedruckte Version gefragt?

Autenrieth: Auf jeden Fall, die Zahlen zeigen nach oben. Wir können keineswegs sagen, dass das Buch ein Thema von gestern ist – im Gegenteil. Es gibt eine enorme Nachfrage, gerade bei Lehrbüchern. Das wird uns selbstverständlich nicht daran hindern, unsere Produktpalette um innovative Produkte zu erweitern, die nicht in gedruckter Form erscheinen.

Glauben Sie, dass 2020 der größere Teil Ihrer Verlagsproduktion nur noch elektronisch vorliegen wird?
Autenrieth: Also, ich bin da eher skeptisch. Die gedruckten Bücher werden uns noch viele Jahre begleiten. Für mich scheinen gedruckte Bücher und deren E-Book-Formen eher komplementär. Letztere haben große Vorteile bei Visibility und Recherche, erstere sind unschlagbar, wenn es darum geht, sich komplexe Zusammenhänge anzueignen. Doch letztendlich will ich weder Autoren noch Kunden vorschreiben, welches Medium sie nutzen sollen. Wir werden die gewünschten Inhalte in den gewünschten Medienformaten anbieten.