Börsenverein

Landesverband NRW: Klares Ja zur Prüfung der Fusionspläne

6. Mai 2010
Redaktion Börsenblatt
Der Vorstand kann die Ärmel hochkrempeln und sich an die Detailfragen machen: Heute haben die Mitglieder des Landesverbands Nordrhein-Westfalen die grundsätzlichen Weichen für eine Arbeit an der Verschmelzung mit dem Bundesverband gestellt.

Bei der Abstimmung im Bonner Collegium Leoninum war das Meinungsbild eindeutig: 66 von 69 Mitgliedern unterstützten den Antrag des Vorstands, "die Zukunftsoption Verschmelzung mit dem Bundesverband weiter zu prüfen". Es gab eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen. Vorher wurde leidenschaftlich, aber nicht ausufernd über das Für und Wider einer engeren Anbindung an die Frankfurter Zentrale debattiert. Schauplatz der Hauptversammlung war eine alte Kapelle – am Ende ein Fingerzeig für die höheren Weihen der Verbandspolitik?

Der Vorstand erläuterte zunächst die Hintergründe der Reformidee, untermauert durch Zahlen. Der scheidende Schatzmeister Hans-Dieter Joos (KNV) rechnete vor, dass der Verband im Jahr 2013 nur noch rund 1000 Mitglieder haben werde, wenn sich die aktuelle Abwärtskurve fortsetze. Zum Vergleich: Zur Zeit gehören dem Landesverband 1.355 Mitglieder an, 2002 waren es noch 1.522.

Der prognostizierte Rückgang von 2009 bis 2013 wiederum sei für den Verband mit Einnahmeverlusten von 130.000 Euro verbunden, so Joos. Anders ausgedrückt: Um sein Dienstleistungsspektrum beizubehalten, müsste der Verband seine Einnahmen, sprich die Mitgliedsbeiträge, um 23 Prozent erhöhen – oder seine Kosten um 18,5 Prozent senken und auf viele Services verzichten. "Wenn Sie diese Zahlen nehmen, können Sie wählen zwischen Pest und Cholera – aber auf Dauer lassen sich die Probleme so nicht lösen", warnte Joos.

Schon das Haushaltsjahr 2009 musste der Verband mit einer Unterdeckung von rund 26.000 Euro abschließen. Dieses Defizit geht vor allem auf das Konto von Echt & Gut, der Imagekampagne für den unabhängigen Buchhandel in NRW, an der mittlerweile 320 Sortimente teilnehmen: "Wir sind hier gewissermaßen Opfer unseres eigenen Erfolgs geworden", so Stefan Könemann, Vorsitzender des Landesverbands.

Der Etatentwurf für 2010 soll zwar wieder mit einem leichten Plus von 5.000 Euro abschließen, trotzdem mahnte Könemann, dass der Verband angesichts der Mitgliederentwicklung jetzt handeln müsse: "Wir möchten heute von Ihnen wissen: Können Sie sich so ein weitreichendes Modell wie eine Fusion vorstellen?" Dabei machte er auch noch einmal deutlich, dass die Verschmelzung an grundlegende Bedingungen geknüpft sei: Nämlich Erhalt der Mitgliedernähe, guter regionaler Service und signifikante Kostensenkungen: "Mit zwei, drei Prozent ist es hier nicht getan".

Ludger Claßen (Klartext Verlag) stieß die Diskussion an: Als Kaufmann sei er irritiert über die "beschwörende Polemik", mit der die Zahlen vorgestellt würden und eine Verschmelzung mit dem Bundesverband als einziger Ausweg skizziert werde. Personal- und Raumkosten des Landesverbands hätten 2001 noch bei 37 Prozent des Budgets gelegen, heute seien es 50 Prozent. "Warum müssen wir gleich den ganzen Verein auflösen, um Kosten zu sparen?". 

Claßen fürchtet auch, dass der Landesverband, wenn er juristisch nicht mehr selbstständig ist, sein Gewicht gegenüber der Politik und der Landesregierung einbüßen könnte. Zudem verliere der Börsenverein mit der Auflösung der föderalen Struktur interne Kontrollinstanzen. Stefan Könemann hielt dagegen, das sei genau der Punkt: "Wir kontrollieren uns beim Börsenverein zu Tode". Dabei gebe es doch eigentlich kaum landesverbandstypische Interessen, die gegenüber dem Bundesverband verteidigt werden müssten. Und Dieter Seggewiß (Verlagsauslieferung Runge) betonte, dass es bei der anstehenden Entscheidung nicht um eine Auflösung des Verbands gehe: "Wir sollten uns hier keine Denkverbote auferlegen".

Diese Position setzte sich am Ende durch – und so beauftragten die Mitglieder den Vorstand damit, eine mögliche Fusion mit dem Bundesverband in den nächsten Monaten gründlich zu prüfen. Bei der Hauptversammlung 2011 soll es dann konkrete Ergebnisse geben. 

Stimmen aus der Hauptversammlung:

Brigitta Lange, Buchhändlung Hilberath & Lange, Mülheim: "Ich habe mich schon immer gefragt, warum ich Mitglied in zwei Verbänden sein muss. Unser Vorstand hat ein Problem: Er ist viel zu basisdemokratisch. Statt erst mal zu rechnen und der Hauptversammlung dann Ergebnisse zu präsentieren, die alle umhauen, fragt er nach. Und jetzt haben wir ein unglaubliches emotionales Chaos."

Michael Wieser, Mayersche: "Die Entscheidung, von einer dezentralen Organisationsstruktur auf eine zentrale umzustellen, haben wir in unserem Unternehmen schon vor zehn Jahren getroffen". 

Hans-Dieter Joos, Schatzmeister: "Guter Service hat mit der Rechtsform überhaupt nichts zu tun".

Stefan Könemann, Vorsitzender des LV NRW: "Wir müssen heute handeln, wo wir noch handlungsfähig sind. Und: Das Leistungsniveau, das wir heute haben, werden wir bei keinem Modell beibehalten können".

Hilde Holtkamp, Dietz Verlag: "Ich komme aus der Gewerkschaftsbewegung – und kann nur sagen, dass die Angestellten mit dem Koloss Verdi nicht zufrieden sind."

Rutger Booß, Rechnungsprüfer: "Vor einem Jahr haben die Landesverbände Leitsätze ihrer Arbeit formuliert. Jetzt, ein Jahr später, wird ihre Existenz in Frage gestellt. War das alles Makulatur?"

Der Beschluss im Wortlaut:

"Die Mitglieder des Landesverbands Nordrhein-Westfalen sprechen sich auf der Hauptversammlung am 6. Mai 2010 dafür aus, dass der Vorstand und die Geschäftsführung des Landesverbands die Zukunftsoption "Verschmelzung mit dem Bundesverband" weiter sorgfältig prüfen. Sie werden beauftragt, das Leistungsangebot des Landesverbands sowie die Existenz einer Geschäftsstelle in Düsseldorf zu sichern. Die Ergebnisse der Prüfung aller damit zusammenhängenden finanziellen, inhaltlichen und formalen Fragen einschlielßlich der möglichen Auswirkungen auf die zu erwartenden künftigen Belastungen der Mitglieder mit Beiträgen werden den Mitgliedern des Landesverbands spätestens auf der Hauptversammlung 2011 zur Abstimmung weiterer Schritte vorgestellt."

Zwei Gastredner 

Dass der Börsenverein eine "schnelle, schlanke und kostengünstige Struktur" braucht, um für die Aufgaben der Zukunft gerüstet zu sein – daran ließ auch ein Gast aus Frankfurt keinen Zweifel. Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, machte in Bonn deutlich, dass der Weg zur Fusion "ein offener Prozess" sei: "Die regionale Willensbildung, die regionale Identität müssen unbedingt erhalten bleiben". Ebenso klar sei, dass sich der Verband auch für die neuen Player am digitalen Markt öffnen müsse: "Wir werden den Wandel nur bewältigen, wenn wir alle Teile der Wertschöpfungskette für uns gewinnen". Dabei gehe es nicht zuletzt um den Interessensausgleich zwischen den Akteuren, so wie auch in den vergangenen 185 Jahren der Verbandsgeschichte: "Wir sehen uns als Plattform für das Interessensclearing".

Die Kreativbranche und damit auch die Buchbranche sind keine zu vernachlässigende Größe in Nordrhein-Westfalen: Das bescheinigte den Buchhändlern und Verlegern Christa Thoben, Wirtschaftsministerin von NRW: "600 Verlage und 1.000 Buchhandlungen in unserem Bundesland – das ist schon was", so Thoben in ihrem Eröffnungsvortrag zur Hauptversammlung. In Nordrhein-Westfalen hätten zwar auch viele Dax-Konzerne ihren Sitz: "Aber letztlich sind es die 700.000 kleineren und mittleren Unternehmen, die unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ein Gesicht geben", so Thoben.

Auch einige Formalien standen in Bonn auf dem Programm: Michael Kozinowski (Buchhandlung  Mackensen, Wuppertal) wurde zum neuen Schatzmeister gewählt. Sein Vorgänger Hans-Dieter Joos geht im Juli bei KNV in den Ruhestand. Anette Philippen (DuMont Kalenderverlag) und Wolfgang Thönes (Buchhandlung Litfass, Dortmund) sind die neuen Rechnungsprüfer in NRW.