Die Gründer Angelika Andruchowicz, Hans Thill und Manfred Metzner studierten alle Jura und lernten sich über eine juristische Gruppe kennen. Während der deutschen Studenten-Revolte im Jahr 1974 fanden zahlreiche Neugründungen statt, die unabhängig sein wollten. Die drei Gründer des Wunderhorn Verlags wollten ebenfalls ein unabhängiges Medium gründen – in ihrem Fall war es ein Buchverlag. Zwei der Gründer betreiben die Juristik weiterhin als ihren Brotberuf, Manfred Metzner ist zudem Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung. Hans Thill übernimmt die vielfältigen Aufgaben eines Lyrikers, Verlegers, Übersetzers, sowie Geschäftsführers. Da eben nicht der wirtschaftliche Gewinn, sondern die Leidenschaft die treibende Kraft ist, bietet in diesem Fall der kleine Verlag mehr Raum für Kreativität. Festgefahrene Organisationsstrukturen vieler großer Unternehmen lassen kreative Querverbindungen nur schwer zu Stande kommen. Das spiegelt sich auch im Verlagsprogramm wider. Das des Wunderhorn-Verlags blieb bisher dem Verlagsmotto treu. Seit 2004 erscheint z.B. die Reihe „Poesie der Nachbarn – Dichter übersetzen Dichter“, zudem kooperiert der Verlag mit dem Deutschlandfunk als Medienpartner. Seit dem 1. Januar 2006 wird jeden Tag ein Gedicht dreimal am Tag gesendet und der Deutschlandfunk-Lyrikkalender ist zum Publikumserfolg avanciert.
Trotz allem gefährdet der Konzentrationsprozess der Buchbranche das Dasein der unabhängigen Verlage. Beispielsweise übersteigt die Auflagenhöhe der großen Verlage die der kleinen um einiges und es werden von ihnen öfter Bestseller produziert. Hinzu kommt, dass die großen Buchhandlungen wie Thalia ihre Regale mit Büchern der Verlagskonzerne füllen. Das sind schwerwiegende Nachteile für einen unabhängigen Verlag. Aber ein weiteres Wunderhorn-Motto lautet „Poesie liegt auf der Straße“ und somit ist ihr Schwerpunkt Lyrik. Die Auflagenhöhe von Lyrik ist unabhängig von der Größe des Verlags. Der Verlag „Das Wunderhorn“ macht den großen Konzernen im Lyrikbereich sozusagen gute Konkurrenz, da sie mit ihren Erfahrungen den großen Verlagen voraus sind. Gute Lyriker und Übersetzer, sowie ihr guter Ruf tragen zum Erhalt des Verlags bei. Lyrik ist ohnehin gerade angesagt, was sich in den Verkaufszahlen niederschlägt, denn für den ersten Lyrikkalender gab es gerade mal 326 Vorbestellungen, während dann innerhalb von sechs Wochen 5000 Stück ausverkauft waren. Beim Zweiten haben sie die Auflage verdoppelt. Hans Thill meint dazu, dass die Nachfrage, die da ist, nicht unbedingt vom Markt stammt, sondern von den Intellektuellen. Die beiden verlegten Nobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio und Herta Müller sind darüber hinaus Glücksfälle für den kleinen Unabhängigen. Sie sprechen für den guten literarischen Geschmack des Verlags.
Die Unterstützung der Kurt-Wolff-Stiftung, des Goethe Instituts und anderer Museen und Institute ist natürlich sehr hilfreich, aber unabhängige Verlage brauchen nicht nur das Geld, sie bräuchten vor allem mehr Plattformen, um ihre Bücher zu präsentieren und auch zu verkaufen. Das Verlagsprogramm ist es wert, verkauft zu werden, da Kultur von Vielfalt und von Erneuerung lebt – getreu ihrem Motto: „Die Erneuerung der Literatur kommt aus den Peripherien und nicht aus den Metropolen.“
Eine Frage jedoch bleibt: Wenn sich die Bücher des Verlags weiterhin so gut verkaufen, wird er größer. Ist ein vergrößerter unabhängiger Verlag immer noch das Sprachrohr anspruchsvoller Literatur oder existiert ein wirtschaftliches Gesetz, dass es verbietet, Anspruch und Größe zu verbinden?