Frech hat seine Wurzeln im Kreativ-Fachhandel. Warum wenden Sie sich jetzt dem Buchhandel zu?
Zirn: Weil wir für das Thema Kreatives Gestalten im Buchhandel deutlich mehr Potenzial sehen. Wir erwirtschaften derzeit erst ein Drittel unseres Umsatzes mit dem Sortiment. Da geht noch mehr.
Was ist mit dem Kreativ-Fachhandel los?
Zirn: Er steht unter einem ungleich höheren Druck als der Buchhandel. Der Strukturwandel hat hier zum Teil recht große Löcher hinterlassen. Für den örtlichen Buchhandel bedeutet das eine schöne Chance.
Liegt das Geld tatsächlich auf der Straße?
Zirn: Das sicher nicht, aber mit ein wenig Aufwand lässt sich aus Hobbythemen viel machen. Kreatives Gestalten liegt im Trend, man will sich zu Hause mit schönen Dingen umgeben, freut sich über seinen handwerklichen Erfolg. Das Thema verströmt eine positive Atmosphäre, ist lebendig und hochemotional.
Kommt diese Botschaft denn an?
Zirn: Bei manchen ja, bei anderen nicht.
Welche Ursachen hat diese partielle Abneigung?
Zirn: Ich denke, das ist eher ein Überbleibsel aus unserer Geschichte. Frech ist mit dem Fachhandel groß geworden, und zwar als Bastelheft-Verlag. Wer an Frech denkt, hat bis heute diese Hefte vor Augen – übersieht dabei allerdings, dass wir längst dabei sind, uns zu verändern.
Und wie verändern Sie sich?
Zirn: Da ist jede Abteilung im Haus eingebunden, vom Lektorat bis zum Vertrieb. Wir bauen unser Programm um und konzentrieren uns mehr denn je auf Hardcover, wir haben unsere Bücher inhaltlich und optisch stärker an die Bedürfnisse der jüngeren, lifestyleorientierten Zielgruppen angepasst und bieten auch aktive Verkaufsunterstützung, zum Beispiel durch unsere Veranstaltungspakete.
Um welche Zielgruppen geht es?
Zirn: Die oberen Gruppen in der Sinus-Mileustudie, die Postmateriellen und die Etablierten.
Ist die bürgerliche Mitte damit passé?
Zirn: Nein, wir weiten lediglich unseren Blick. Bisher lag unser Fokus auf der bürgerlichen Mitte. Weil diese Gruppe aber erstens kleiner wird und sich zweitens auch beim Buchkauf immer stärker an den oberen Sinus-Gruppen orientiert, mussten wir gegensteuern. Was uns dabei aber ganz wichtig ist: Wir wollen für Postmaterielle und Etablierte interessant werden, ohne die bürgerliche Mitte zu verlieren.
Wie wollen Sie diesen Spagat schaffen?
Zirn: Indem wir unsere Bücher emotionaler und moderner machen – und doch erkennbar bleiben. Wir verändern außerdem das Marketing und feilen am Image. Aus meiner Sicht befindet sich das Thema noch im Dornröschenschlaf. Um im Bild zu bleiben: Jetzt ist es an der Zeit, die Prinzessin zu wecken.
Was werden Sie als Erstes zu Ihr sagen?
Zirn: Wahrscheinlich `Das ist Frech´. So lautet der Claim unserer Kampagne, mit der wir in zwei Wochen starten. Aber mal im Ernst: Uns ist es wichtig, dass das Thema Basteln im Buchhandel neu wahrgenommen wird, im Moment wirkt alles etwas verstaubt. Mit der Kampagne wollen wir Reibung erzeugen, überraschen und Sympathien wecken. Und die Aufmerksamkeit auf das lenken, was wir heute tun.
Wie gehen Sie damit um, dass das Internet immer weitere Kreise zieht?
Zirn: Wir verteufeln das überhaupt nicht, die Frage ist nur, wie wir uns dem stellen können und das Beste daraus machen.
Ihre Antwort?
Zirn: Die haben wir noch nicht gefunden, aber wir arbeiten dran – bis 2011. Dann treten wir mit einem kompletten Relaunch unserer Web-Aktivitäten an.
Ist Paid Content für Sie eine Option?
Zirn: Klares Nein. Natürlich wäre es denkbar, zum Beispiel Bastelanleitungen gegen kleines Geld anzubieten, aber ich glaube nicht, dass sich die Investitionen auszahlen würden. Dafür gibt es zu viele Angebote, die sich kostenlos nutzen lassen.
Zurück zum Buchhandel: Der GfK zufolge hat das Sortiment mit Kreativ-Titeln im vergangenen Jahr 50,4 Millionen Euro umgesetzt, Sie kommen auf einen Marktanteil von 36 Prozent. Wo wollen Sie in einem Jahr stehen?
Zirn: Ich weiß nicht, ob ein Jahr genügt, aber mittelfristig wollen wir uns die Hälfte des Kuchens holen.
Obwohl der Markt eher kleiner wird – als größer?
Zirn: Warum nicht? Der Markt bewegt sich seit Jahren nahezu stabil, sogar in Krisenzeiten.