Kommentar von Torsten Casimir, Chefredakteur Börsenblatt

Dem Buch die Hauptrolle

20. Mai 2010
Redaktion Börsenblatt
Seckbach ist Thema der Woche. Aber worum geht es eigentlich? Jedenfalls nicht um alte Zöpfe und neue Köpfe. Und schon mal gar nicht um die bis zur Verblödung gehypte Frage nach dem Überleben des Buches.

Die Debatte um Seckbach ist eine Identitätsdebatte. Trivialisieren wir sie nicht zur Querele! Welche Begriffe binden die Buchbranche noch zusammen?

Wenn Auszubildende jetzt anmahnen, dem Buch weiter die Hauptrolle im Ensemble der vielen Unterrichtsthemen zuzubilligen, mag man mäkeln: Was "Buch" denn heute meine? Totes Holz? Dateien? Ein Prinzip? Das alles ist Zeug für Oberseminare, aber leider unbrauchbar für Identitätssucher. Merkwürdigerweise jedoch haben die Schüler ihre richtigen Fragen am falschen Beispiel formuliert. Wer unverstellt hinschaut, sieht in Seckbach das Buch wie eh und je im Zentrum stehen. Zahlreiche Sonderveranstaltungen widmen sich ihm, die "Paschen Lounge" zelebriert es sogar architektonisch.

Gleichwohl: Ein konstruktiver Umgang mit der Schülerklage wäre der Versuch, das Unbehagen zu verstehen, das sich in ihr äußert. Warum lassen wir die Schultern hängen, kaum dass sich abergläubische Elektronikerzirkel zum Totengedenken für Print versammeln? Wo bleibt das Selbstbewusstsein, das sich mit dem Buch verbindet? Diese Botschaft richtet sich nicht an eine Schule, sondern an jeden und jede, die mit Büchern handelt.

Klar wird neue Medientechnik wichtiger. Aber die Befassung mit ihr darf nicht in einen Minder-wertigkeitskomplex kippen. Sonst machen uns Autoren von "Slow Media Manifesten" vor, wie man über die Modernität des Buches spricht, ohne sich dem Wandel zu verweigern. – Worum es also in der Seckbach-Frage geht? Auch um die Furcht vor Bedeutungsverlust.