Worum geht es? Klassischerweise erwirbt der Händler eine Lizenz, mit der er das E-Book in eigenem Namen und auf eigene Rechnung verkaufen darf (‘Wholesale oder Retail Model’). Sofern es keine Buchpreisbindung gibt, obliegt dem Händler auch die Festsetzung des Verkaufspreises. Die Vergütung des Händlers erfolgt als Rabatt auf den gebundenen bzw. den Wholesale-Preis.
Apple stellt dieses System nun für den iBookStore auf den Kopf. Das IT-Unternehmen will nicht mehr als Händler agieren und den Verkauf in eigenem Namen und auf eigene Rechnung durchführen, sondern will als Agent fungieren. Damit ist der Verkäufer im rechtlichen Sinne der Verlag, der damit – mit oder ohne Buchpreisbindung – die Preishoheit hat. Vergüten lassen will sich Apple für diese Agenturleistung mit einer Provision von 30 % auf den Bruttoverkaufspreis.
Zunächst klingt ein solches Modell sehr verlockend für Verlage, insbesondere in den USA, wo die Preispolitik von Amazon für viel Unmut gesorgt hat. Doch bei näherem Hinsehen ergeben sich viele praktische Probleme, die die Verlage vor enorme Herausforderungen stellen.
Auf der momentan stattfindenden Book Expo America hat das Agency Model als Folge sehr gemischte Reaktionen hervorgerufen. Hier einige wesentliche Themen:
- Ist der Verlag der Verkäufer, muss er auch die Sales Tax, bzw. die MwSt abführen. Gerade bei weltweitem Verkauf muss der Verlag die hochkomplexe MWSt-Thematik komplett in seinen internen Systemen darstellen können.
- Ungeklärt ist, in welchem Umfang der Verlag als Verkäufer die Endkundendaten vorhalten muss. Muss jeder E-Book-Kunde als neuer Kunde angelegt werden?
- Hat der Verlag die Preishoheit, muss sich jede Preisänderung zeitgleich bei allen verkaufenden Plattformen widerspiegeln. Eine enorme Herausforderungen für das Datenmanagement.
- Der Verlag muss für den Verkauf an den Endkunden eigene AGBs haben, die vom Kunden akzeptiert werden müssen. Wie sieht die User Experience aus, wenn ein Kunde E-Books von verschiedenen Verlagen kauft? Muss er drei, vier, verschiedene AGBs akzeptieren?
- Apple schreibt trotz Preishoheit der Verlage feste Preispunkte vor, die vom Preis der gedruckten Ausgabe abhängen. Dies ist an sich schon ein Widerspruch, der zu einem echten Problem werden könnte, wenn andere Plattformen andere Preispunkte vorgeben.
- Wie gehen Händler mit der Situation um, dass einige Verlage ausschließlich das Agency Model akzeptieren, andere aber wiederum das Retail Model? Im ersten Fall führt der Verlag die MwSt ab, im zweiten der Händler!
Man kann sich also schnell ein Bild davon machen, wie problematisch das Agency Model in der Praxis ist. Das macht das Modell per se nicht schlecht, zeigt aber, wie überstürzt sich die Branche – zumindest in den USA – auf ein Modell eingelassen hat, das möglicherweise noch eine geraume Zeit braucht, bis es praxistauglich ist.
Was ist Ihre Meinung zum Agency Model? Ich freue mich auf eine spannende Diskussion.
Ihr Ronald Schild