Börsenverein

LV SasaThü: Treffen der Realisten

7. Juni 2010
Redaktion Börsenblatt
Romantisch war nur das Tagungshotel: Auf ihrer 20. Jahreshauptversammlung in der Welterbestadt Quedlinburg votierten die Mitglieder des LV SaSaThü selbstbewusst für den Fortbestand der föderalen Struktur des Gesamtverbands – und wählten eine deutlich verjüngte Führungs-Crew.
Alle fünf Jahre findet die Hauptversammlung des Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen außerhalb Leipzigs statt: Nach Dessau (1995), Weimar (2000) und Görlitz (2005) war im Jahr des 20. Gründungs-Jubiläums Quedlinburg an der Reihe. Stimmt das Sprichwort, nach dem der Pessimist über den Wind klagt, der Optimist hofft, dass dieser sich dreht, der Realist indes die Segel neu setzt, gehören die knapp 50 Buchhändler und Verleger, die am zurückliegenden Wochenende in der Welterbestadt im Harz zusammenkamen, eindeutig zur letztgenannten Spezies.

Das wichtigste Signal, das von Quedlinburg ausgeht, ist das im Ton ausgewogen, in der Sache deutlich formulierte Plädoyer für die Existenz eines selbständigen, vitalen und leistungsfähigen Landesverbands, zu dem es „gegenwärtig keine Alternative“ gebe. Der Börsenverein, so die einhellige Meinung, braucht Nachwuchs und Ideen aus den Regionen, seine föderale Struktur – deren Aufgabe, so brachte es Raimund Müller-Fiedler (Jacobi & Müller, Halle/Saale) in einer ungewohnt ausführlichen Diskussion auf den Punkt, käme einem „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ gleich. Das Selbstbewusstsein des schlank aufgestellten und dennoch effektiv arbeitenden Dreiländerverbands ist durchaus begründet: Obwohl auch hier - wenn es sie je gegeben haben sollte - „die fetten Jahre vorbei“ sind und im zurückliegenden Jahr auffällig viele Geschäftsschließungen (sieben assoziierte Mitglieder, sechs Buchhandlungen, drei Verlage) zu beklagen waren, hat man heuer bei der Aktion 185plus mit mehr als 30 Neu-Mitgliedern bundesweit die Nase vorn.  

Die ostdeutschen Buchhändler und Verleger, deren Nachwende-Erfahrungen zweifellos zu erhöhter Sensibilität in allen Beitritts- oder Fusions-Fragen geführt haben, fühlen sich in „ihrem“ Verband „aufgehoben“. Dennoch versprach der Vorstand, dass man die Entwicklung in anderen Landesverbänden (die Kollegen aus Berlin/Brandenburg hatten ihre „Außenministerin“ Christiane Schulz-Rother/Tegeler Bücherstube zur Beobachtung nach Quedlinburg entsandt) weiter genau im Blick behalten und das weitere Vorgehen „frei von Eitelkeiten und Traditionen“ mit den Mitgliedern abstimmen werde. Die Gretchenfrage, jenseits aller Befindlichkeiten: Wer bestimmt künftig, welche Leistungen in Anspruch genommen werden können? Die künftige Handlungs-Devise borgte sich Wilfried Bengsch von Bert Brecht („Lob des Lernens“): „Lege den Finger auf jeden Posten!“

Besonders war das Quedlinburger Wochenende auch, weil zum achten Mal gewählt wurde – ein neuer Vorstand und neue Leiter der Fachgruppen. Nach sechs Jahren legte der ob seiner besonnenen, integrativen Arbeit allseits geschätzte Halberstädter Buchhändler Wilfried Bengsch sein Amt als Vorsitzender nieder und läutete damit eine Verjüngungskur an der Verbandsspitze ein: Zum neuen Vorsitzenden wurde der Verleger Helmut Stadeler (Dr. Bussert & Stadeler, Jena) gewählt, sein Stellvertreter ist Raimund Müller-Fiedler. Heurige Hasen sind Stadeler (Jahrgang 1964) und Müller-Fiedler (Jahrgang 1969) nicht; seit 2001 profilierten sie sich in der Fachgruppenarbeit. Bengschs Erfahrung bleibt dem Verband erhalten – er wird den Jungen künftig als Schatzmeister zur Seite stehen. Klar, dass der scheidende Vorsitzende, der oft gefragt wird, wie er sich denn die Zeit für derlei aus den Rippen schneide, die Trommel noch einmal kräftig fürs Ehrenamt rührte: „Ja, schneiden auch Sie! Die Anforderungen an unseren Verband werden nicht kleiner – im Gegenteil“  

Das gilt wohl auch für die Probleme, mit denen Buchhändler und Verleger im Alltag zu kämpfen haben. Viele halten sich erstaunlich zäh: „Die Zugaben beim Schulbuchgeschäft sind unerträglich geworden“ – große Heiterkeit im Auditorium; der Satz in Bengschs Vorstandsbericht stammt aus dem Jahr 1904. In den Fachgruppen ging es um die Dauerbrenner Urheberrecht/Preisbindung oder die Zukunftschancen für den inhabergeführten Buchhandel. In der Hauptversammlung tauschte man sich – unter anderem – über die unendliche Geschichte des Konditionengerangels zwischen Verlagen und Buchhandlungen aus. Wann ist die Konditionenschraube ausgeleiert? Hier sind es eher die Forderungen der Big Player, die den Kleinen die Luft abschnüren; kleine, unabhängige Verlage und Buchhandlungen, auch das war in Quedlinburg auf Diskussionspodien wie beim abendlichen Fest im romantischen Tagungshotel zu erleben, finden meist rasch zu einem vernünftigen Miteinander. Da trifft es sich gut, dass die vom Landesverband separat angebotenen Verleger- und Buchhändlergespräche künftig unter dem Label „SaSaThü-Treffen“ zusammengeführt werden. Hinter den dicken Mauern des alten Zisterzienserkloster St. Marien zu Helfta (Eisleben) geht es im November um brandaktuelle Themen – vom Social Web bis zu Ladendiebstahl und Netz-Piraterie.

Der neu gewählte Vorstand:

Vorsitzender: Helmut Stadeler (Verlag Dr. Bussert & Stadeler, Jena)
Stellvertreter: Raimund Müller-Fiedler (BH Jacobi & Müller, Halle/Saale)
Schatzmeister: Wilfried Bengsch (BH Bengsch, Halberstadt)
Harald S. Liehr (Böhlau Verlag, Weimar)
Reinhardt O. Cornelius-Hahn (Projekte-Verlag Cornelius, Halle/Saale)
Hanna Arnold (BH Arnold, Leinefelde)
Heike Grümmer (BH Grümmer, Leipzig)
Peter Peterknecht (BH Peterknecht, Erfurt)
Ansgar Weber (BH SeitenBlick, Leipzig)

Leitung der Fachgruppe Herstellender Buchhandel:

Vorsitzender: Dr. Frank Stübner (Lusatia Verlag, Bautzen)
Stellvertreter: Peter Gerlach (Hasenverlag, Halle/Saale)

Leitung der Fachgruppe Verbreitender Buchhandel:

Vorsitzende: Susann Krahl (Buchhandlung Molsberger, Halle/Saale)
Stellvertreterin: Anke Kauffmann, Buchhandlung LeseLaune, Taucha)