Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch ...

29. Mai 2010
Redaktion Börsenblatt
Sonja Klug hat einen Ratgeber mit diesem Titel publiziert (Orell Füssli, 2002). Aber stimmt ihre Aussage wirklich?
Und was ist das überhaupt, ein Buch? Kann man beispielsweise ein Audio Book als Buch bezeichnen? Oder ein E-Book? Wenn man nach dem Gegenstand des Buches fragt, wie entscheidend für die Antwort ist dann der traditionelle, physische Körper? Beim Punktschriftbuch jedenfalls existiert er. Und doch: Ist das Punktschriftbuch ein Buch?
Nun, auch hier gibt es Buchblock, Buchrücken und zwei Buchdeckel. Aber nicht jedes Punktschriftbuch ist gebunden. Und die Entscheidung, ob ein Hardcover oder eine Taschenbuch-Ausgabe vorliegt, wird in der Lesewelt der Blinden auch nicht grundlegend getroffen. Es gibt andere Kriterien, die weit wichtiger sind.
So ist es oftmals nicht möglich, einen Titel in einem Band zu fassen. >Harry Potter und der Stein der Weisen< zum Beispiel ist in Blindenkurzschrift vier Bände dick, Cornelia Funkes >Tintenherz< sogar fünf. Und auf welchem von ihnen befindet sich das Cover?
Richtig: auf keinem. Denn optische Darstellungen verleiten Blinde sicherlich nicht zum Kauf eines Buches. Auf Buchrücken und -deckel erscheinen daher, sowohl in Braille- als auch in Schwarzschrift, lediglich der Titel des Werkes und der Name des Autors. Bei Publikationen, die wie die beiden genannten in Brailleschrift in mehrere Einheiten zerfallen, steht zusätzlich auf dem einzelnen Teilband, um welchen es sich handelt.
Bleibt die Haptik. Aber auch sie spielt sicherlich nicht die entscheidende Rolle. Kann sie nicht spielen, aus dem einfachen Grund, weil kein Blinder die Möglichkeit hat, in eine Buchhandlung zu gehen, um den einen oder anderen Titel in die Hand zu nehmen. Denn es gibt im dortigen Sortiment ja keine Punktschriftbücher ...
Was stattdessen Wirkung zeigen kann, ist der Inhalt. Außerdem der Name des Autors oder des Verlages.
Vor allem aber müssen Punktschriftbücher stabil sein, denn der Leser ertastet die Schrift, was für das Trägermedium eine höhere Belastung bedeutet.
Und, vielleicht noch wichtiger: Punktschriftbücher müssen praktisch sein. Beispielsweise werden sie häufig in Ringordnern angeboten. Einzelne Blätter lassen sich so herausnehmen, was von Vorteil ist bei Kochbüchern oder auch Schul- und Studienliteratur. Alternativ finden sich Titel mit Draht- oder Fadenheftung ebenso auf dem Blindenbuchmarkt wie Bücher mit Spiralbindung. Und wo gibt es schon Schwarzdruckausgaben in Ordnern oder mit Spiralbindung? So gesehen, stimmt es schon einmal nicht, dass ein Buch ein Buch ist ...