Im Saal nebenan widmete sich der Arbeitskreis Elektronisches Publizieren den großen Zukunftsentwürfen der digitalen Welt - der Arbeitskreis Bild- und Kunstbuchverlage dagegen wandte sich bei seiner heutigen Digitalisierungs-Tagung im Berliner Congress Center erst einmal dem virtuellen Basiswissen zu. Dienstleister wie Textunes und Book2Look stellten ihre Services vor, Martin Steinebach vom Fraunhofer-Institut informierte über Chancen und Grenzen von digitalen Wasserzeichen.
Sein eindringlicher Rat an die Kunstbuchverlage, die noch zögerlich vor den neuen, digitalen Möglichkeiten stehen: "Schaffen Sie so früh wie möglich eigene, legale Download-,Angebote". Denn die Raubkopierer im World Wide Web machen auch vor dem Kunstbuch nicht halt. Vor allem in Russland würden schon viele Scans hochwertiger Kunstbände kursieren, warnte Steinebach: "Und das ist sicher kein Phänomen, das an der russischen Grenze aufhört". Spezialisierte Gruppen würden in aller Welt themenbezogen Bücher einscannen und über Rapidshare verbreiten, ganze Comic-Archive auf diese Weise ins Netz gestellt, so Steinebach: "Raubkopien sind keine Sache von Lieschen Müller".
Dass die Kunstbuchverlage nicht gerade zu den Pionieren der neuen Medien gehören, zeigte sich auch beim Vortrag von Volker Oppmann (Textunes). Der Berliner Dienstleister, der Bücher als Applikation fürs iPhone und andere mobile Geräte aufbereitet, hat mittlerweile 130 Verlage in seiner Kundenkartei. Vor allem Ratgeberverlage haben das Potenzial, das in den Apps steckt, längst erkannt. Von Kunstbuchverlagen dagegen liegen bislang nur zwei Anfragen bei Textunes vor - und diese Projekt sind noch nicht umgesetzt. Dabei sieht Oppmann durchaus interessante Modelle für die Verlage, beispielsweise bei touristischen Informationen: "Wer eine Städtetour macht, könnte via App Daten von Museen und Ausstellungen abrufen, kombiniert mit einem Blick in den Ausstellungskatalog oder dem Abruf des entsprechenden Audioguides." Vor allem das großformatige iPad eröffne dem Kunstbuch hier ganz neue Chancen, so Oppmann.
Verlage aus anderen Märkten sind deutlich experimentierfreudiger, wenn es um die digitale Weiterverwertung ihrer Inhalte geht. Für Droemer Knaur beispielsweise hat Textunes eine Applikation für ein Sarah-Wiener-Kochbuch entwickelt, bei der sich aus den Rezepten gleich ein virtueller Einkaufszettel generieren lässt. Dass solche Sonderwünsche, die mit Programmierarbeit verbunden sind, entsprechend Geld kosten, daraus machte Oppmann keinen Hehl: "Aber ePub-Dateien mit Text und Bild - das kann jeder. Die Musik steckt in den multimedialen Formaten".
Passen Apps zur Kunstbuch-Klientel? Die Reaktionen in der Runde waren eher verhalten, nicht zuletzt aufgrund der Kostenfrage: "Digitales Engagement nimmt einfach Zeit und Geld in Anspruch. In vielen Verlagen ist auch der Workflow noch gar nicht darauf abgestellt, weder im Vertrieb noch in der Herstellung", so Bettina Preiß, Sprecherin der AG und mt ihrem eigenen Verlag VDG Weimar schon lange elektronisch aktiv.
Dass die Digitalisierung auch ganz neue Marketing-Möglichkeiten eröffnet, das zeigte Rainer Rossipaul mit dem Tool Book2Look, gerade mit dem AKEP-Award 2010 ausgezeichnet: Leseproben, die sich virtuell durchblättern lassen, können damit als Buchempfehlung in sozialen Netzwerken verbreitet werden, eine Warenkorb-Funktion ist eingebunden. Die Kunstbuchverleger waren sichtlich fasziniert - wohl auch deshalb, weil sich der allgemeine Buchhandel immer weiter aus dem Kunstbuchsegment zurückzieht und das Internet auf diesem Weg ganz neue Perspektiven für Marketing und Vertrieb eröffnet.
Am 2. September treffen sich die Arbeitskreis-Mitglieder wieder, dann tagt eine Arbeitsgruppe zum Thema Marketing und Vertrieb. Informationen gibt es bei Anke Simon vom Verleger-Ausschuss des Börsenvereins, E-Mail: simon@boev.de.