Honnefelder-Rede zur Eröffnung der Buchtage in Berlin

Tradition und Innovation

10. Juni 2010
Redaktion Börsenblatt
„Unsere Branche steht auf der Schwelle zwischen alter und neuer Buchwelt, das heißt zurückzuschauen und nach vorn“, sagte Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenverein, zur Eröffnung der Buchtage. „Vor uns liegt unbekanntes Gebiet, es gibt neue Wettbewerber, die wenig mit uns gemein haben.“ Die Märkte von morgen sind das Thema von heute, sagte Honnefelder, den Titel der Buchtage zitierend. Aufgabe der Verlage sei es, auf bewährte Inhalte setzen und zugleich neue Formen zu finden. Damit dies gelingen könne, seien verlässliche Rahmenbedingungen notwendig.
"Wir brauchen Sicherheit für Inhalte und kulturelle Werte. Wir versprechen uns dazu greifbare Antworten“, sagte Honnefelder adressiert an Staatsekretärin Birgit Grundmann, die als Vertreterin von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur Eröffnung der Buchtage gekommen war.

Auf diese Antworten müssen Verleger und Buchhändler jedoch noch ein bisschen warten, mindestens bis Montag. Dann, so kündige Grundmann an, werde Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer Berliner Rede zum Urheberrecht die Reformpläne der Regierung benennen. Dem wolle und könne sie nicht vorgreifen.

Staatsekretärin Birgit Grundmann versicherte, dass im Justizministerium Konsens darüber bestehe, dass ein durchsetzungsstarkes Urheberrecht notwendig für Kreative ist. Doch allein mit neuen Gesetzen sei es nicht getan. Um die Durchsetzung von Urheberrecht im Internet weiter zu verbessern, müssten bessere Instrumente zur konsequenten Verhinderung von Urheberrechtsverletzung geschaffen werden. Die Diskussion darüber, wie das gelingen könne, sei längst nicht abgeschlossen. Ziel müsse eine  Gesamtstrategie sein, die der Piraterie begegnet, gleichzeitig wirtschaftlichen, rechtlichen und kulturellen Facetten Rechnung trägt.

Grundmann forderte die Buchbranche auf, sich einzubringen in den Dialog, nicht allein die Bundesregierung sei verantwortlich für einen Erfolg. Sie schloss mit einem Zitat von Albert Einstein: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“

 

Dorothee Ritz (General Manager Consumer, Microsoft Deutschland) hat in ihrer Key Note die Märkte von Morgen aus technologischer Sicht beleuchtet. „Sie starten mit einer tollen Ausgangssituation“, sagte Ritz in Richtung Buchbranche. „Bei Musik ist viel vom Wert im Internet aufgegeben worden. Beim Buch ist das anders. Es gibt ein Wertgefühl für Bücher. Die Menschen sind bereit, dafür zu zahlen“, so Ritz. Mit ihrer Aussage, das iPad brauche man schließlich nicht wirklich, sorgte Ritz für großes Gemurmel im Saal. „Aber sein Erfolg zeigt, dass die Leute bereit sind, für Dinge, die sie wertschätzen, viel Geld zu zahlen“, ergänzt Ritz. Die digitale Medienform müsse sich aber unbedingt vom Medium Buch unterscheiden. „Das Internet ist sehr social. Das sollte in den Entstehungsprozess von Büchern einfließen.“ Ein weiteres wichtiges Thema seien Empfehlungen. „Wir haben festgestellt, dass 80 Prozent der Käufer ihre Entscheidung noch einmal ändern, weil sie eine andere Empfehlung bekommen“, so Ritz.


Sven Fund (Geschäftsführer, Walter de Gruyter) zeigte in seiner Key Note den nötigen Weg des Buchhandels zum Wissenshandel auf. „Ich bin sicher, dass unsere Branche eine neue Denkrichtung braucht. Die Digitalisierung fordert uns auf ganzer Linie, etwa was  neue Geschäftsmodelle angeht“, so Fund. „Wir brauchen eine Kultur der Veränderung in unserer Branche.“ Wichtig für die Zukunft seien vor allem drei Dinge:

1) Die Wiederentdeckung des Kunden durch Verlage


„Wir müssen die Endkunden stärker als Zielgruppe verstehen. Daraus ergaben sich neue Herausforderungen: Differenzierte Preismodelle müssen erdacht, eingeführt und akzeptiert werden. Es kommt zu einer Explosion von Komplexität.“

 

2) Buchhandel und Zwischenbuchhandel fürchten um ihre Rolle im digitalen Umfeld


„Der Handel wird auch in Zukunft eine Mittlerfunktion haben. Er muss sich jedoch stärker als bisher darum bemühen, als Partner im Verkauf digitaler Inhalte aufzutreten. Die Verlagsbrache ist vom Buchhandel zum Wissenshandel geworden. Die äußere Form der Produkte verliert an Bedeutung, die optimale Aufbereitung gewinnt an Bedeutung. Nur der, der das bessere Angebot hat als die Raubkopierer, wird in Zukunft überleben können. Es ist unsere Aufgabe, Inhalte und Vertriebsmodelle anzubieten, wie unsere Kunden sie wünschen.“


3) Rasant wachsende Anforderung an Mitarbeiter

„Diese Frage wird in den Diskussionen oft vernachlässigt. Die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter hat noch nicht den Stellenwert, den sie haben müsste. Wir stehen mit anderen Branchen mehr und mehr im Wettbewerb um die besten Köpfen."