Die Ministerin sprach sich gegen eine Kulturflatrate und gegen Internetsperren nach französischem Vorbild aus, versprach aber, die Internetservice-Provider stärker für Urheberrechtsverstöße auf Plattformen zur Verantwortung zu ziehen. Konkrete Angaben zum Dritten Korb, der dritten Stufe der Urheberrechtsreform, machte die Ministerin noch nicht.
Leutheusser-Schnarrenberger nannte in ihrer Rede zunächst zwei Extreme, von denen die Urheberrechtsdiskussion derzeit bestimmt werde:
- auf der einen Seite die Besitzstandswahrer, die häufig nur den Erhalt überholter Geschäftsmodelle im Sinn hätten,- und auf der anderen Seite jene, die auf Leistung Anderer ohne Beachtung des Urheberrechts kostenlos zugreifen wollten.Dabei gerate der Werkschöpfer aus dem Blick, der doch zentrale Gestalt des künftigen Urheberrechts sein müsse. Die Justizministerin nannte vier Prämissen, die für den Schutz geistigen Eigentums unabdingbar seien:- Das Recht müsse die Selbstbestimmung der Kreativen über die Nutzung ihrer Werke sichern. Bei neuen Lizenzmodellen, etwa Open Access, sei dies bereits der Fall. Urheberschaft und Authentizität eines Werkes seien Indizien, um Wert und Wirkung eines Werks richtig einschätzen zu können.
- Daher sei „Schwarmintelligenz“, die anonyme Kollektivierung von Wissen, ein verfehltes und gefährliches Konzept. Unreglementierte Nutzung fremder Werke führe schnell zu Ausnutzung, erodiere die Basis für Kreativität und stehe der
- Leistungsgerechtigkeit entgegen. Wie diese aussehen könnte, wurde nicht angesprochen; die Ministerin votierte jedenfalls gegen eine Kulturflatrate: Diese sei eine Zwangskollektivierung der Rechte und habe einen gewaltigen Verteilungskampf der Urheber um Einnahmen zur Folge.
- Man bräuchte europaweit Regeln zum Schutz der Rechte Kreativer; das Urheberrecht bilde ihre Existenzgrundlage. Subventionen oder Mäzenatentum hingegen versteht die Ministerin als künstlerischer Freiheit abträglich („Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“); der funktionierende Markt mit der individuellen Entlohnung der Leistung garantiere die Vielfalt der Kultur.
Marktliberaler Klartext auch bei den Regeln für Verwertungsgesellschaften wie Verlage. Hier würden nicht europäische, sondern national aushandelbare Standards wirksam: „In welchem Maße Kreative ihre Werke direkt über das Internet vermarkten und inwieweit Zwischenhändler entbehrlich werden, das ist keine Frage des Rechts, das ist eine Frage des Wettbewerbs […] Wir wollen keine Schonräume schaffen für Geschäftsmodelle, deren Zeit angelaufen ist […] Wo die CD stirbt, wächst iTunes.“
Da Künstler auf Verlage oder Labels angewiesen seien, die ihre Werke vorfinanzierten und für deren effektiven Vertrieb sorgten, werde es auch weiterhin einen Markt für Werkvermittler geben. Lücken im Leistungsschutz für die Vermittler sieht die Ministerin allein bei den Zeitungsverlegern. Wie der Schutz hier im Detail aussehen könne, sei offen und werde Teil der künftigen Debatten. Finanzielle Wunder seien jedoch nicht zu erwarten.
Bildschirm-Warnhinweise
In puncto Durchsetzung der Schutzrechte sprach sich Leutheusser-Schnarrenberger gegen das französische Modell aus, nach der dritten Urheberrechtsverletzung den Internet-Zugang des Users zu sperren. Vielversprechender scheinen ihr Bildschirm-Warnhinweise der Provider für den Nutzer.
Mit den beteiligten Interessengruppen will Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger zunächst Gespräche führen – so am 28. Juni mit den Presseverbänden über das Leistungsschutzrecht für Verleger, am 13. Juli über Open Access, am 27. September über Fragen der kollektiven Rechtewahrnehmung und am 13. Oktober über "verwaiste Werke". Erst danach werden Justizministerium und Parlament in das Gesetzgebungsverfahren einsteigen.
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, sagte nach der Rede: "Wir müssen jetzt sehr konkret und schnell feststellen, ob unsere Verhandlungen mit den Providern uns im Sinne der geforderten Verantwortung weiterbringen."
Der Medienblog Carta hat de Rede von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Video aufgezeichnet.