Interview

"Viele E-Reader-Anbieter haben zu wenig Content"

25. Juni 2010
Redaktion Börsenblatt
Vorige Woche war Frank-H. Häger, Vorstand Buch und E-Medien bei der Ganske Verlagsgruppe, Keynote-Sprecher beim 2. Mobile Publishing-Gipfel der Akademie des Deutschen Buchhandels. Boersenblatt.net hat mit ihm über verlegerische Perspektiven für mobile Endgeräte wie das iPad gesprochen.

Rechnen Sie damit, dass sich die neuen Tablet Computer im Massenmarkt durchsetzen werden?
Häger: Ich vermag das nicht vorherzusagen. Das iPad von Apple wird in einer bestimmten Zielgruppe eine hohe Marktdurchdringung erreichen. Ob andere Geräte ebenso attraktiv sein werden, weiß ich nicht. Das hängt auch vom jeweiligen Content-Angebot ab. Bei Smartphones liegen Nokia und Blackberry zwar immer noch vorn im Markt, sie verfügen aber nicht über ein Online-Angebot, das dem Apples vergleichbar wäre.


Werden digitale Zeitungen, Bücher und andere elektronische Medien künftig überwiegend auf mobilen Endgeräten gelesen oder konsumiert?
Häger: Das glaube ich nicht. In den kommenden drei bis fünf Jahren wird das Geschäft mit gedruckten Medien noch eine größere Rolle spielen als das mit digitalem Content auf mobilen Endgeräten. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass sich vor allem Tablet Computer als Abspiel- und Lesegerät durchsetzen und die Laptops abhängen werden.


In Deutschland entwickelt sich der E-Medien-Markt zurückhaltender als in den USA. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Häger: Pauschal kann man das nicht beantworten, das hängt ganz von der eingesetzten Technologie ab. Das Problem vieler E-Reader-Anbieter wie etwa Sony ist, dass sie im Vergleich zu den USA zu wenig Content anbieten. Kindle-Nutzer können dort zwischen 400.000 Büchern wählen. Insgesamt spielt natürlich die Verfügbarkeit und Akzeptanz der Lesegeräte im Markt eine Rolle. Ganz anders sieht es aber bei Internetangeboten wie dem Online-Portal Chefkoch.de aus: Sie haben teilweise eine Marktbedeutung erlangt wie ähnliche Websites in den USA.


Die Ganske Gruppe bietet in allen Bereichen digitalen Content an. Weichen die Anforderungen für die verschiedenen Formate erheblich voneinander ab?
Häger: Wir müssen sehr differenziert vorgehen. In unserem Haus werden E-Books für drei Buchverlage mit sehr unterschiedlichen Genres produziert: für Hoffmann und Campe, Gräfe und Unzer und Travel House Media. Wir müssen also jeweils eine Entscheidung treffen, für welche Art von E-Books wir uns bei Belletristik, Ratgebern und Reiseführern engagieren. Bei Reiseführern und Ratgebern kommt es in hohem Maße auf Farbigkeit und Illustrationen an. Also hat die Geschäftsführung entschieden, für die E-Ink-Reader mit Schwarz-Weiß-Darstellung keine Produkte anzubieten. Nur Hoffmann und Campe ist mit Belletristiktiteln auf dem Sony Reader vertreten und hat über Textunes erste Gehversuche auf dem iPhone unternommen. Ich bin sicher, dass es aus unseren Verlagshäusern in absehbarer Zeit auch Anwendungen für das iPad geben wird.