Es sieht so aus, als sollte sich die Aussage wieder einmal bewahrheiten: Der Einzelhandel, mithin auch der Buchhandel, ist ein nachgelagerter Wirtschaftszweig. Während sich andere Branchen nach der Krise schon wieder erholen, blickt der stationäre Buchhandel dem beginnenden Aufschwung sehnsüchtig hinterher.
Das zumindest legt die Bilanz des ersten Halbjahrs nahe. Von Januar bis Juni sind die Einnahmen der stationären Buchhändler um 4,2 Prozent gesunken. Das geht aus dem Branchen-Monitor Buch hervor, der im Auftrag des Börsenvereins von Media Control GfK International erhoben wird.
Langer Winter, Public Viewing und steigende Internetbestellungen
Der lang anhaltende, kalte Winter, die Konsumenten, die nach der Wirtschaftskrise das Vertrauen noch nicht wieder gefunden haben, die Fußball-Weltmeisterschaft, die zum Public Viewing und nicht zum Shoppen verführt hat, im Vergleich zum Vorjahr weniger Top-Seller, mehr Buchbestellungen per Internet: All diese Argumente werden für das vergleichsweise schlechte Abschneiden des Sortimentsbuchhandels angeführt.
Über alle Vertriebswege hinweg – Sortiment, E-Commerce und Warenhäuser – bewegte sich das Minus lediglich bei 0,5 Prozent. Dass alle drei Vertriebswege in Summe betrachtet besser abgeschlossen haben, ist den steigenden Internet-Umsätzen geschuldet, von denen auch große Buchhändler wie Weltbild und Thalia zu berichten wissen.
Umsatzrückgang auch im Juni
Die Juni-Ergebnisse haben indes an der Gesamtlage wenig geändert. Mit einem Umsatzrückgang von 3,5 Prozent lag der Wert bei den stationären Buchhändlern im Schnitt der vergangenen Monate. Als Trost mag die Entwicklung des Rechnungsumsatzes im letzten Monat gelten: Dieser hat wegen des Schulbuchgeschäfts im Vorjahresvergleich um 14,6 Prozent hinzugewonnen.
Alle Absatzkanäle zusammengenommen, wurde ein Umsatzrückgang von 1,1 Prozent konstatiert. Besonders gebeutelt hat es die Hörbücher, die zehn Prozent verloren haben. Auch das Taschenbuch musste mit minus 4,4 Prozent einen spürbaren Anteil abgeben.
Bei den Warengruppen konnten lediglich drei ein positives Vorzeichen aufweisen: Mit plus 5,2 Prozent schnitten die Kinder- und Jugendbücher am besten ab, es folgen Geisteswissenschaften, Kunst, Musik mit 2,6 Prozent und Belletristik mit 1,4 Prozent.
Turbulentes erstes Halbjahr für Sortimenter
Auf der Seite der Verlierer rauschten die Umsätze tief in den Keller. Fast neun Prozent bei Naturwissenschaften, Medizin, Informatik und Technik, knapp sechs Prozent bei Reisen und Sozialwissenschaften, Recht und Wirtschaft.
Insgesamt liegen turbulente Monate mit großen Schwankungen hinter dem Buchhandel. Von minus 4,1 Prozent bis plus 8,5 Prozent reichten die Ausschläge bei allen Absatzwegen, von minus 8,1 Prozent bis plus 5,3 Prozent fuhren die Umsätze im stationären Buchhandel Achterbahn.
Sachbuch punktet mit Politik, Gesellschaft und Wirtschaft
Das Auf und Ab hat auch den Sachbüchern zu schaffen gemacht. Aktuell liegt ihr Marktanteil bei 8,8 Prozent, wichtigster Umsatzbringer mit fast einem Drittel sind Bücher aus den Bereichen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Gegenüber dem Vorjahr konnten sie ihre Beliebtheit sogar noch steigern – um fast sieben Prozent. Titel dieser Genres stellen auch einen großen Teil der Sachbuch-Halbjahresbesteller. Angeführt wird das Ranking von Manfred Lütz mit "Irre – Wir behandeln die Falschen" aus dem Gütersloher Verlagshaus.
Zweitstärkster Bereich im Sachbuch sind mit 15 Prozent Lexika und Nachschlagewerke. Sie zählen allerdings mit einem Umsatzverlust von 15 Prozent zu den Verlierern.
Deutschland, Österreich und die Schweiz im Vergleich
Zur Jahresmitte haben die Marktforscher auch einen Blick über die Grenzen geworfen, um die Entwicklungen im deutschsprachigen Buchhandel zu beleuchten. Im Dreiländer-Vergleich zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz liegen die Österreicher mit Abstand vorn. Sie haben via Sortimentsbuchhandel und E-Commerce gegenüber dem Vorjahr ein Plus von drei Prozent erzielt. Der Absatzkanal Warenhaus wird in der länderübergreifenden Erhebung aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit nicht erfasst.
Da können ihre eidgenössischen Kollegen nur bewundernd über die Grenze schauen. Sie haben zuletzt unter dem schwachen Euro beziehungsweise dem starken Franken gelitten – und erwirtschafteten einen um 2,8 Prozent geringeren Umsatz als im Vorjahr. Deutschland liegt mit minus 0,4 Prozent auf der mittleren Position. Zusammengerechnet ergeben die Umsatzveränderungen beim Ländertrio ein leichtes Minus von 0,3 Prozent.
Belletristik länderübergreifend stark
Verglichen wurden im ersten Halbjahr auch die Entwicklungen der einzelnen Warengruppen. Die Belletristik zeigte sich in allen Ländern stark: In Deutschland legte sie um vier, in Österreich sogar um acht Prozent zu. In der Schweiz verbuchte sie einen Anstieg von 2,5 Prozent. Am anderen Ende der Skala bewegt sich das Kinder- und Jugendbuch, von Januar bis Juni größter Verlierer. Neun Prozent weniger verbuchten Kinder- und Jugendbücher in Deutschland, minus 9,4 Prozent in der Schweiz. In Österreich dagegen verlor diese Warengruppe nur 1,5 Prozent.
Ein uneinheitliches Bild bietet sich auch bei den Editionsformen. Während Hard- und Softcover in Deutschland und in Österreich stärker gefragt waren als im ersten Halbjahr 2009, mussten sie in der Schweiz Umsatzanteile abgeben (minus 2,2 Prozent).
Wie die Geschäfte der Sortimenter in den kommenden Monaten laufen werden, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten.
Christina Schulte