Standortqualität

Wolfgang Haensch: "Eine 1a-Lage kann, muss aber nicht besser sein"

22. Juli 2010
Redaktion Börsenblatt
Dass der Standort für eine Buchhandlung wichtig ist, dürfte niemand bestreiten. Aber muss es immer die teure 1a-Lage sein? Sind Käufer tatsächlich nicht mehr bereit, ihre Einkaufstour auf Nebenlagen auszudehnen? Ein Gespräch mit dem Einzelhandelsberater Wolfgang Haensch (CIMA) – über bequeme Kunden und darüber, wie es Buchhandlungen in hinteren Reihen gelingen kann, rentabel zu sein.
Für den Buchhandel gebe es keine andere Lage als die 1a-Lage, sagen manche. Sehen Sie das ähnlich?
Haensch: Pauschal lässt sich das kaum beantworten. Dazu sind die Konzepte, die am Markt existieren, viel zu verschieden.  Sicher sind große Buchhandlungen auf eine hohe Passantenfrequenz angewiesen – und gehören damit in die Toplagen. Aber für kleinere Läden sehe ich durchaus auch jenseits der 1a-Lage gute Chancen, sich zu behaupten.

Wie?
Haensch:  Zum Beispiel, indem sie Bücher mit anderen Angeboten kombinieren – etwa Kinderbücher mit Spielzeug.

Obwohl das die Großen bereits machen?
Haensch: Natürlich. Wer nicht direkt am Kundenstrom liegt, muss sich überlegen, wie er trotzdem Frequenz in seinen Laden bekommt – er muss Ideen entwickeln, die genau auf sein Umfeld und seine Stadt passen. Ein Sortimentsmix, der den Geschmack der Kunden trifft, ist da eine sehr gute Möglichkeit.   

Was macht einen guten Standort aus?
Haensch: Er liegt zentrumsnah, hat eine gute Verkehrsanbindung und passt zum Image des Unternehmens.  Und was noch wichtig ist: Ob es im direkten Umfeld Frequenzbringer gibt – zum Beispiel Lebensmittelläden oder, für eine Buchhandlung noch besser, Bildungseinrichtungen.

Von welchem Standort würden Sie Buchhändlern eher abraten?
Haensch: Bei Mittelstädten von allen, die nicht in einer 1er-Lage liegen. Vorsichtig sollten sie auch bei Passagen oder Einkaufszentren sein, in denen es Leerstände gibt. Das ist meist ein untrügliches Zeichen, dass die Passantenfrequenz hier eher schlecht ist.

Wie gut sollte eine Buchhandlung erreichbar sein? Wie wichtig ist es,  da zu sein, wo viel los ist?
Haensch: Da muss man immer abwägen. 1a-Lagen in Großstädten werden für die meisten kleineren Buchhändler kaum erschwinglich sein. Sie sind teuer und schwächen die Rentabilität. Inhaber von kleineren Buchhandlungen sollten besser auf attraktive 1b- oder 2er-Lagen im Zentrum ausweichen oder auf Stadtteile.

Wodurch unterscheiden sich diese Lagen?
Haensch: Eine bundesweit einheitliche Definition existiert zwar nicht, doch die Faktoren, die Makler nutzen, dürften überall ähnlich sein. Besonderes Gewicht haben der Dichtebesatz des Handels und die Passantenfrequenz. 1a-Lagen sind demnach die mit einem geschlossenen Einzelhandelsbesatz ohne Leerstände, mit der höchsten Frequenz, dem höchsten Filialisierungsgrad und leider auch den höchsten Mieten.

Wie viel weniger Kunden kommen in die B- und C-Lagen?
Haensch: Dafür gibt es lediglich Schätzwerte. Eine B-Lage zieht etwa 25 Prozent weniger Käufer an, eine C-Lage dürfte nur noch knapp die Hälfte der Passantenfrequenz erreichen.

Sind Kunden tatsächlich bequemer geworden – und gehen selbst für Zielkäufe heute seltener in Nebenlagen?
Haensch: Das würde ich nicht sagen. In Nebenlagen kommt es eher auf Stamm- als auf Laufkunden an. Wenn der Rahmen stimmt und man sich hier einen Namen machen kann, kommt man auch weiter.    

Lässt sich mangelnde Passantenfrequenz also kompensieren?
Haensch: Ja. Indem die Unternehmen Individualität verkörpern, indem sie ideenreichen Service bieten, ihre Kunden persönlich ansprechen – und ihnen auch entsprechende Angebote machen.

Welche Rolle spielen Marketingmaßnahmen?
Haensch: Eine große. Dabei geht es weniger um klassische Instrumente wie Anzeigen in Magazinen oder Tageszeitungen, sondern darum, durch Marketing die Kundenbindung zu fördern. Und das erreicht man am besten durch positive Erlebnisse – zum Beispiel bei Lesungen, durch regelmäßige Informationen oder spezielle Serviceangebote für Stammkunden.

Wie wichtig ist dann noch der Standort für den Erfolg einer Buchhandlung?
Haensch: Sich nur auf den Standort zu konzentrieren, reicht nicht. Ein Einzelhändler bewegt sich immer in einem Dreieck zwischen dem Mikrostandort, dem Makrostandort und seinem individuellen Konzept – mit den Faktoren Sortiment, Personal und Marketing. Man kann sicher niemand per se empfehlen, in eine Nebenlage zu gehen. Andererseits sollte keiner sagen, eine 1a-Lage ist in jedem Fall besser.


Wolfgang Haensch, promovierter Wirtschaftsgeograph, ist Partner und Büroleiter bei CIMA Beratung + Management GmbH in Köln.