Workshop

Tipps für freie Lektoren

21. Juli 2010
von Börsenblatt
Karoline Müller-Stahl und Momo Evers über ihre Schritte in die Selbständigkeit als freie Lektorinnen. Über Erfahrungen, Fallstricke und eine erfolgreiche Auftragsakquise.

Akquise

Die Frankfurter Buchmesse sei zwar dafür geeignet, sich einen Überblick über die Verlagslandschaft zu verschaffen, um jedoch sich und seine Dienstleistung anzubieten, würden sich kleinere Messen besser eignen. Nur wenige freie Lektoren seien zum Beispiel auf der Bildungsmesse Didacta unterwegs. Akquise muss aber nicht immer auf direktem Weg angegangen werden, um zum Erfolg zu führen. Momo Evers, hält neben ihrer Tätigkeit als Lektorin und Redakteurin zudem Vorträge und Online-Workshops, auch hierüber weise man sich als Experte aus und betreibe dadurch indirekt Akquise. Außerdem rät sie, sich auf allen kostenlosen Seiten im Netz mit seinem Profil einzutragen. „Das erhöht den Google-Rank der eigenen Homepage." Diese sollte man mit möglichst viel nutzwertigem Content befüllen. „Sie ist die Visitenkarte im Netz und außerdem wird man über den Content leichter bei Google gefunden."

Sein Wissen in Netzwerken zu verschenken helfe dabei, Weiterempfehlungen zu bekommen. Am Ende ihrer Mails und Rechnungen fügt Evers gerne den Satz an: „Wenn es Ihnen gefallen hat, dann empfehlen Sie uns gerne weiter". Eine einfache Idee, die ihr schon viel gebracht habe.

Vor allem sei es wichtig, ohne Druck an die Akquise heranzugehen, betonte Evers und erzählte eine Anekdote, die ihr unerwartet zu einem neuen Auftraggeber verholfen hat. Einmal sei sie nur aus Neugier einem Kollegen auf Twitter gefolgt, weil sie sein Gezwitscher interessant fand. Der besagte Twitterer schrieb: „Ich erkläre meiner Kollegin gerade wie das hier funktioniert und wir fragen uns, ob Twitter auch Blumen bringen kann." Kurzerhand hat Evers Blumen zu dem Adressaten geschickt – mit freundlichen Grüßen vom Haus der Sprache. „Eigentlich war das Ganze gar kein Akquiseversuch, aber letztlich ist eine Zusammenarbeit daraus geworden."

 

Dienstleistung im Paket anbieten

Evers versucht grundsätzlich ihre Angebote als Paket zu verkaufen. „Wenn jemand bei Ihnen an der Tür anklopft und nach einem Angebot fragt, das Sie vielleicht so (noch) gar nicht anbieten, dann schicken Sie Ihn nicht weg, sondern sagen ihm, was Sie sonst noch Alles machen. Verkaufen Sie Pakete und Ideen", rät die Kleinunternehmerin, die mittlerweile mit eineinhalb festangestellten Kräften zusammenarbeitet. Durch solche Komplettangebote stiegen außerdem die Chancen, mit Auftraggebern Rahmenverträge auszuhandeln, die eine gewisse Sicherheit garantieren. „Aber ein Netzwerk auf das man zurückgreifen kann, muss keine physische Bürogemeinschaft sein", so Evers. Weiterempfehlungen an Kollegen könnten dazu dienen, dass auch diese das nächste Mal eine Empfehlung aussprechen. Ihr Haus der Sprache funktioniere wie eine Agentur mit festen Freien und, ganz wichtig, einer Ansprechpartnerin.

 

Honorare

Was das Verhandeln von Honoraren, besonders am Anfang der Selbständigkeit, angeht, sollte man diese am Besten mit Verweis auf die Angaben des Verbands der freien Lektoren aushandeln. Zudem sei es äußerst wichtig, sich vorher in die zu lektorierende Arbeit einzulesen, um den Aufwand besser kalkulieren und in die Honorarverhandlungen mit einbringen zu können. Statt nur mit einem Flyer bei den Verlagen vorstellig zu werden, auf dem steht „Ich will Bücher lektorieren", solle man selbstbewusster auftreten und den Verlagen auf Augenhöhe begegnen. Das könne so weit gehen, dass man Verlagen auch eigene Publikationsideen oder Reihenkonzepte vorschlägt. Eine Selbständigkeit aus der Festanstellung heraus sei ideal, da man wisse, wie es im Verlag zugeht und wie dieser angesprochen werden muss.

 

Angebotspalette

Spezialisierungen auf bestimmte Fachgebiete seien sicher zu empfehlen. Darin sind sich die beiden freien Lektorinnen einig. Während Müller-Stahl vor allem auf dem Gebiet der Architektur, Fotografie und Kunst tätig ist, sieht der Bauchladen von Evers allerdings etwas kunterbunter aus. Wichtig sei vor allem Interesse „und das man aktiv am kulturellen Leben des jeweiligen Gebiets teilnimmt", so Müller-Stahl, die regelmäßig auf Künstlerevents anzutreffen ist. Evers ihrerseits habe vier Jahre lang Krimis und alles zu diesem Thema gelesen und lektoriere jetzt auch auf diesem Gebiet.

 

Agenturen

Zu beachten sei, dass Agenturen zwar besser bezahlen als Verlage, das Geschäft sei aber eindeutig schneller und härter und bei Fehlern sei man schneller weg. Auf keinen Fall solle man Verträge unterschreiben, die eine Fehlerfreiheit garantieren, so die Expertinnen. Nichts desto Trotz seien Agenturen gerade für Einsteiger in das freie Lektorat eine sichere Bank. Mit einem soliden Anschreiben an möglichst viele Agenturen erziele man meist einen nennenswerten Rücklauf.

 

Ansprechpartner / Adressen / Lektüre

Institut für freie Berufe Existenzgruender.de Gruenderinnen.de texttreff.de IHK – Gründerseminar Die Kulturpaten Buchempfehlung: "Treffpunkt Text"

 

Karoline Müller-Stahl: entwickelt Buchkonzepte und publiziert in den Bereichen Architektur, Design, Kunst und Fotographie. Sie hat rund zehn Jahre beim Birkhäuser Verlag in Basel als Lektorin gearbeitet und ist seit 2007 selbständig.

Momo Evers: ist Lektorin, Redakteurin und Dozentin. Seit 1999 arbeitet sie für Verlage. Als Autorin oder Ghost verfasst sie auch Bücher.

 

Der Workshop fand im Rahmen des Jahrestreffens der Jungen Verlagsmenschen am vergangenen Samstag in Leipzig statt.

 

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