Wirtschaftskrise? Welche Wirtschaftskrise? Die Verlage haben von der Flaute im vergangenen Jahr offensichtlich nichts gemerkt. Der herstellende Buchhandel konnte seine Umsätze zum sechsten Mal in Folge steigern – und das sogar wieder deutlich stärker als in den Jahren zuvor. Um 3,8 Prozent ging es 2009 nach oben, 2008 betrug das Plus lediglich 0,6 Prozent. Das geht aus der Schnell-Umfrage des Verleger-Ausschusses hervor, an der sich 191 Verlage – unterteilt in neun Größenklassen – beteiligt haben. Der Gesamtumsatz der Befragten beträgt circa 2,89 Milliarden Euro und entspricht damit mehr als einem Drittel des Branchenumsatzes.
Aufwärtstrend bei fast allen Verlagen
Verlage nahezu aller Größenklassen konnten von dem klaren Aufwärtstrend profitieren. Herausragender Gewinner waren Verlage mit Umsätzen zwischen 250.000 Euro und 500.000 Euro, die sieben Zähler hinzugewannen. Gut vier Prozent waren es für die Konzerne mit 25 Millionen Euro und mehr. Zwei Größenklassen zählten zu den Verlierern: Die Kleinstunternehmen mit einem Jahresumsatz bis 125.000 Euro rutschten mit knapp einem Prozent ins Minus. Die Firmen mit Einnahmen zwischen einer und 2,5 Millionen Euro wiesen ein Minus von 0,5 Prozent aus.
Kinder- und Jugendbuch gewinnt, Sachbuch verliert
Wird die Spezialisierung als Kriterium herangezogen, hat das Kinder- und Jugendbuch mit gut 20 Prozent den weitesten Sprung nach vorn gemacht. Schulbücher verbesserten sich um circa neun Prozent, Ratgeber um fünf. Die gravierendsten Einbußen gab es beim Sachbuch, das acht Prozent verlor. Gut zwei Prozent minus waren es bei religiöser Literatur.
Den Hauptanteil ihrer Erlöse (mehr als drei Viertel) erzielen die Verlage nach wie vor mit Büchern. 2009 gelang ihnen dabei ein überdurchschnittlicher Zuwachs von 5,7 Prozent (Vorjahr: 0,2 Prozent). Den größten Anstieg – plus zehn Prozent – gab es bei den Häusern mit einem Umsatz von 12,5 Millionen bis unter 25 Millionen Euro. Weniger Bücher verkauft haben die Unternehmen der Größenklassen bis 125.000 Euro und eine Million bis unter 2,5 Millionen Euro. Die Kinder- und Jugendbuchverlage bauten ihr Buchgeschäft mit plus 23 Prozent am weitesten aus. Auf neun Prozent mehr Einnahmen kamen die Schulbuchverlage.
Taschenbuch floriert
Als Umsatzgarant erwiesen sich im vergangenen Jahr erneut die Taschenbücher. Ihr Anteil am Buchumsatz betrug 36,1 Prozent und lag damit um fast vier Prozentpunkte über dem Wert von 2008. Bei den Publikumsverlagen wird sogar mehr als die Hälfte der Einnahmen mit Taschenbüchern erzielt.
Am Problem des Novitätenüberschusses haben die Verlagshäuser scheinbar kaum gearbeitet: Der Anteil der Novitäten bewegte sich mit 45,2 Prozent nur leicht unter Vorjahr, das Gegenteil gilt für große Publikumsverlage, die mehr Novitäten ausstießen als 2008.
Zeitschriften und Anzeigengeschäft im Minus
Sinkende Einnahmen verzeichneten die Zeitschriften. Die Umsätze dort gingen um 6,1 Prozent zurück – so stark wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. 2008 wurde noch eine Steigerung von 1,2 Prozent zu Protokoll gegeben. Am härtesten getroffen hat es die gro-ßen Häuser mit bis zu 25 Millionen Euro Umsatz, die anteilsmäßig auch die meisten Zeitschriften produzieren. Die Veränderungsrate lag hier bei minus 8,5 Prozent. Besser lief es für die mittelgroßen Verlage zwischen einer Million Euro bis fünf Millionen Euro, die 1,2 beziehungsweise 1,8 Prozent gutmachen konnten.
Nach vier Jahren Wachstum sind die Anzeigenerlöse 2009 erstmals wieder gesunken. Und zwar deutlich: Im Schnitt fielen sie um 14,8 Prozent. Mit Einbußen von fast einem Fünftel hat es die Verlage mit Umsätzen zwischen 12,5 Millionen Euro und 25 Millionen Euro besonders getroffen.
Online-Dienste legen deutlich zu
Freude bereitete den Unternehmen 2009 die Entwicklung der Erlöse aus Online-Diensten. Nach einem Plus von 7,1 Prozent im Vorjahr gelang nun sogar ein Zuwachs von 20,8 Prozent. Die Online-Einnahmen tragen allerdings maximal vier Prozent zum Gesamtumsatz bei, etwa bei den Großverlagen und bei der Größenklasse zwischen 250.000 und 500.000 Euro. Ansonsten reicht der Wert kaum an die Ein-Prozent-Marke heran.
Insgesamt höhere Kosten – Werbeetats schrumpfen
Den unterm Strich steigenden Umsätzen stehen deutlich höhere Kosten gegenüber. Wie die Schnell-Umfrage zeigt, sind die Gesamtkosten der Verlage im Vorjahresvergleich um 3,3 Prozent nach oben geklettert (2008: 0,8 Prozent). Den größten Kostenblock im Verhältnis zum Umsatz bilden nach wie vor die Herstellkosten, für die gut 27 Prozent aufgewendet werden müssen. Dabei ließen sich keine Einsparungen realisieren – im Gegenteil: Die Herstellung wurde um sechs Prozent teurer (siehe Tabelle links). Am meisten Geld für die Produktion ihrer Bücher (ca. 43 Prozent) nehmen die Sachbuchverlage in die Hand, dann folgen Verlage mit religiöser Literatur.
Der zweithöchste Betrag fließt in die Personalkosten (ca. 23 Prozent des Umsatzes). Auch hier hat es eine Erhöhung von sechs Prozent gegeben. Die größten Anstiege zeigten sich in der höchsten Größenklasse und bei den Unternehmen mit Umsätzen zwischen 500.000 und einer Million Euro. Gespart wurde in den kleinsten Verlagen: Fast ein Viertel der Personalkosten fiel dort weg. Am personalintensivsten arbeiten Fachbuch- und wissenschaftliche Verlage. Sie stecken circa ein Drittel ihres Umsatzes in Humankapital. Je 25 Prozent fallen bei Schulbüchern und religiöser Literatur an.
Einsparungen waren hingegen bei den EDV-Kosten möglich, die durchschnittlich um zehn Prozent zurückgefahren wurden. Gekürzt hat man auch die Werbeetats, die um sieben Prozent geringer ausgefallen sind. Weitere Kostenarten mit Spareffekt: Vertreterprovisionen sowie Auslieferungskosten.
Optimistischer Blick in die Zukunft
Während Umsatz und Kosten bei der Befragung in absoluten Zahlen erfasst werden, wird die Einschätzung des Ergebnisses qualitativ vorgenommen. Im Vergleich zum Vorjahr zeichnen die Befragten dabei ein erfreulicheres Bild: 43 Prozent melden gegenüber 2008 ein verbessertes Ergebnis. Ein gutes Drittel konstatiert einen gleichbleibenden Wert, "in etwa gleich" sagen 18 Prozent der Verlage. Auch die Erwartungen für 2010 sehen wesentlich freundlicher aus: Knapp 35 Prozent rechnen mit steigenden Umsätzen (Vorjahr: 26 Prozent), 42 Prozent gehen von gleichbleibenden Einnahmen aus. Pessimistisch zeigt sich ein gutes Fünftel.
Die Vorstellungen in puncto Jahresergebnis 2010 stimmen weitgehend mit den Umsatzerwartungen überein. 36 Prozent der Verlage gehen davon aus, dass sie unter dem Strich mehr verdienen werden als 2009, mit in etwa dem gleichen Ergebnis rechnen gut 40 Prozent. Mehr zur Schnell-Umfrage in der aktuellen Ausgabe von "Buch und Buchhandel in Zahlen 2010", die Anfang August erscheint.
Christina Schulte