Kommentar

Wylie: Fauler Deal für Autoren

28. Juli 2010
Redaktion Börsenblatt
Das technisch Mögliche ist nicht immer das wirtschaftlich Erwünschte. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteurin Sandra Schüssel.
Mit dem E-Book verbanden viele einst Freiheit: Buch­inhalte können schnell und einfach einer großen Anzahl von Menschen zugänglich gemacht werden. Schöner Traum, ausgeträumt. Das technisch Mögliche ist nicht immer das wirtschaftlich Erwünschte. Hinter dem Vorstoß des Agenten Wylie, eine E-Book-Edi­tion direkt und ausschließlich über Amazon zu vertreiben, stecken handfeste monetäre Interessen. Entfernt man ein Glied in der Handelskette – die Verlage –, bleibt deutlich mehr für den Agenten und für die Autoren. Kein Wunder, dass der amerikanische Autoren-Verband auf den Zug aufspringt und die Wylie-Initiative als Druckmittel gegen die Verlage einsetzt. Zahlt uns mehr, dann verhindert ihr, dass wir euch den Rücken kehren. Aber sind Verlage wirklich entbehrlich? Nein. Verlage investieren viel in Lektorat, Marketing und Layout, wovon auch das E-Book profitiert. Verzichtet man als Autor darauf, müssten diese Veredelungsleis­tungen in Eigenregie hinzugekauft werden. Das kostet auch Geld.

Es verwundert, dass sich renommierte Autoren überhaupt auf einen Deal einlassen, der ihnen nur einen einzigen Handelskanal, nämlich Amazon, erlaubt. Was, wenn der Online-Händler die Konditionen ändert oder Bücher aus dem Shop verschwinden lässt, wie schon vorgekommen? Autoren sind auf ihr Publikum angewiesen, mindestens genauso wie auf hohe Margen. Und das Publikum kauft eben nicht nur bei Amazon. In Deutschland wird das Modell Wylie wohl vorerst nicht Schule machen. Dennoch ist es ein Signal für Verlage, über die gerechte Margenverteilung bei E-Books aufs Neue nachzudenken.