Die Hörbuch-Umsätze sind rückläufig - besonders im Vertriebsweg Sortiment. Was sind die Gründe?
Der Hörbuchmarkt ist kein junger Markt mehr, vielmehr hat er sich inzwischen etabliert, was grundsätzlich ein großer Erfolg ist. Dass die Wachstumsraten sinken, liegt in der Natur der Sache und ist nicht Hörbuch-spezifisch. Wie in anderen Märkten ist das Potenzial entscheidend, weniger temporäre Ausschläge nach oben oder auch nach unten. Es bringt keinem etwas, die Dinge schön zu reden, aber bei den aktuell tendenziell rückläufigen Umsatzzahlen im Gesamtmarkt gilt es, zu differenzieren. Die Euphorie der ersten Jahre war sicher überzogen, der Abgesang auf das immer noch attraktive Zusatzgeschäft mit Hörbüchern ist es aber auch und bringt keinem etwas. Ich würde mir hier mehr Objektivität wünschen. Schließlich darf man die im Gesamtmarkt nach wie vor guten Absatzzahlen nicht aus den Augen verlieren. Die Durchschnittspreise haben sich auf einem niedrigeren Niveau eingependelt als vor fünf Jahren. Dies ist einerseits bedauerlich, andererseits sind diese Preislevel nunmehr eine für alle Marktteilnehmer verlässliche Plangröße. Mit Sicherheit kann man nicht verhehlen, dass vor allem das erste Quartal auch wetterbedingt schwierig war und die Konsumbereitschaft nach den Wirren im Finanzmarkt eher gesunken ist. Die Kunden drehen den Euro zweimal um. So muss sich der Hörbuchmarkt aktuell den gleichen Herausforderungen stellen wie der Buchmarkt und die Gesamtwirtschaft.
Lässt sich die physische CD gegenüber dem digitalen Download denn überhaupt auf Dauer aufrechterhalten?
Mit Sicherheit. Auch hier hilft der Blick auf andere Genres und Märkte. Online hat Print verändert, aber nicht obsolet gemacht. Wenn man vor zehn Jahren den so genannten Gurus zugehört hat, dann würden wir heute mit dem Handy im Sinne der Konvergenz alle Einkäufe verrichten. Das physische Hörbuch wird neben dem Download sicher noch lange Zeit von Bedeutung sein. Dafür gibt es vielfältige Gründe: Für viele Inhalte gibt es keine Downloadrechte, d. h. diese Hörbücher wird es immer nur als physisches Produkt geben können. Viele Kunden legen Wert auf eine schöne, hochwertige Ausstattung. Und last but not least: Hörbücher sind nach wie vor beliebte haptische Geschenke. Ich sehe die Multichannel-Ansätze hierbei eher als Chance – auch für den Buchhandel mit begrenzten Präsentationsflächen.
Haben Sie einen Tipp parat, wie der Buchhandel sein Hörbuchgeschäft in Schwung bringen könnte?
Tipps braucht der Buchhandel eher weniger, ich würde meine Punkte gerne Wünsche nennen. So wäre es fair, dem Hörbuch die Zeit am PoS zu geben, die es braucht, um Kunden zu finden. Dabei wäre es schön, wenn es der Kunde nicht erst suchen müsste. Dies gilt dann vor allem auch für Hörbücher jenseits der Top 10. Der Buchhändler ist der kompetente Ansprechpartner, dessen Rat und Empfehlung wieder stärker gefragt sein sollte. Das bedingt, dass man den Kunden auch aktiv darauf anspricht. Gerne darf der Buchhändler seine Hörbuchumsätze steigern, indem er die Hörbücher nicht mit dem Rücken nach vorne ins Regal stellt, sondern die Cover frontal präsentiert. Aber auch die Verlage sind aufgefordert, den Buchhandel mehr zu unterstützen. Insofern ist das ein gemeinsamer Prozess.
Auf welchem Vertriebsweg funktioniert die Backlist am besten?
Wenn man sich die Bestsellerlisten der verschiedenen Onlineshops anschaut, sieht man, dass es Hörbücher gibt, die dort über viele Monate hinweg konstant sehr gut platziert sind. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass Kunden Backlisttitel gar nicht als solche wahrnehmen, sondern nach ihren Interessen entscheiden. Auf diese Weise können Hörbücher, die aus Sicht des Verlages bereits Backlisttitel sind, durchaus erfreuliche Absatzzahlen erzielen.
"Taschenhörbuch", Sonderausgabe, etc: Ist es den Verlagen endlich gelungen, deutlich zu machen, ob es eine Erst- oder Zweitverwertung ist - und so die immensen Preisunterschiede zu vermitteln?
Ich denke, dass das inzwischen sowohl vom Handel als auch von den Kunden gelernt ist. Es ist nicht anders als im Printbereich: Wenn ich eine Novität haben möchte, muss ich für das Hardcover mehr zahlen. Oder ich warte auf das günstigere Taschenbuch. Oft ist der Einkauf jedoch ein Impuls, sodass sich der Kunde nicht die Frage stellt, in welcher Verwertungsstufe das Produkt ist, sondern ob das Preis-Leistungsverhältnis für ihn attraktiv ist. So ist auch die Ausstattung einer Erstverwertung in der Regel hochwertiger als die einer Zweitverwertung – und das Produkt entsprechend teurer.
Die ersten Verlage haben Applikationen entwickelt. Könnte der iTunes-Store sich zum Geschäftsmodell für Hörbuchanbieter entwickeln?
Das ist – als renditefähiges Geschäftsmodell betrachtet - noch Zukunftsmusik. Im Moment gibt es zwar erste Schritte in diese Richtung, doch ab wann das wirklich ein lohnendes Geschäft wird, ist noch nicht abzusehen. Zumal der Nutzen einer Applikation ja auch über das reine Hörbuch hinausgehen sollte. Derzeit ist eine Präsenz im App-Store auch mit einem gewissen Markting/Awareness-Effekt verbunden, der sich auszahlen kann, wenn der Kunde das Produkt beim nächsten Einkauf im Buchhandel wiedererkennt, anfasst, für gut befindet und dann idealerweise käuflich erwirbt.