Auf den Spuren eines Comicseminars

13. August 2010
Redaktion Börsenblatt
„Was liest du denn da?“ „’Nen Comic.“ „Bist du dafür nich’ schon etwas zu alt??“ „Nö, wieso? „Na Comics sind doch nur was für Kinder, oder Freaks.“
So, oder so ähnlich, klingt für gewöhnlich die landläufige Meinung, was das Lesen von Comics betrifft. Dass das aber ein kompletter Trugschluss ist sollte spätestens dann klar werden, wenn man sich einmal die ganze Bandbreite des Comic-Genres bewusst vor Augen führt. Schließlich gibt es ja – neben den Comics für Kinder und Jugendliche – auch spezielle Comics für Erwachsene.

Aber jetzt mal von vorn… In diesem Sommersemester wurde von der Erlanger Buchwissenschaft durch Frau Dr. Sandra Rühr ein Hauptseminar mit dem Titel „Comic: Eine Warengruppe mit Potential?" angeboten. Es sollte dazu dienen, sich einen Überblick über die Comicgeschichte, das Genre allgemein und die beteiligten Verlage zu verschaffen. Abgrenzungen zu ähnlichen Genres wie dem Cartoon, dem Manga, der Graphic Novel, dem Webcomic u.a. zu finden war eine weitere Schwierigkeit des Seminars.

Als echte Neuigkeit entpuppte sich die Tatsache, dass Deutschland keine eigene Comic-Kultur/Geschichte entwickelt zu haben schien. Ganz in Gegensatz zu Frankreich, Belgien, Italien, Großbritannien, Polen oder den U.S.A. Die verwendeten Bildergeschichten und Karikaturen waren darauf ausgelegt, moralische Werte an Kinder weiterzugeben und später zu Propagandazwecken zu dienen. Nach 1945 wurden Karikaturen vor allem in der Werbung und Bildergeschichten als Kinderlektüre eingesetzt. Zunehmend konnte auch eine Beeinflussung durch die klassischen amerikanischen „Heldencomics" wie z.B. „Superman", „Batman" und „Spiderman" festgestellt werden. Durch die Übersetzungsarbeiten ging aber meist der eigentliche Kontext verloren, mit Ausnahme von „Nick Knatterton" und „Fix und Foxi", und so dauerte es nicht lange bis eigene Comics wie „Sigurd" oder „Prinz Eisenherz" erschienen. In der Nachkriegszeit gab es sehr viele kleine Verlage die Comics verlegten. Aufgrund dieser Sachverhalte und der gelegentlich vorhandenen Wissenslücken entfachten sich regelmäßig lebhafte Diskussionen unter den Seminarteilnehmern. Von den sogenannten „Klassikern" wie z.B. „Asterix & Obelix", „Lucky Luke" oder „Tim und Struppi" hatten fast alle schon einmal was gehört, ebenso wie von den bekannteren Manga Serien „Sailormoon", „Dragon Ball" oder „Naruto", aber dass es auch Webcomics, Digitale Comics und Graphic Novels gibt, war vielen neu. Bei Webcomics handelt es sich um Comics, die vorrangig oder auch ausschließlich im Web erscheinen. Digitale Comics hingegen können als Printmedium und parallel im Internet erscheinen. Oftmals wird der Begriff Digital Comic auch im Zusammenhang für Comics verwendet, die für elektronische Endgeräte konzipiert wurden. Webcomics sind meist kostenlos und können auf Internetplattformen www.comicgate.de, www.mycomics.de oder www.comicstars.de gefunden werden. Auf der letztgenannten Internetseite ist der content allerdings kostenpflichtig. Bei Graphic Novels handelt es sich hingegen um eine nicht genau definierte Gattung, welche aber durch den Begriff „novel" seine Nähe zur Literaturgattung auszudrücken versucht. Durch seine ernsthafteren Thematiken richtet sich die Graphic Novel auch eher an Erwachsene Leser. Der verwendete Zeichenstil ist daher realistischer und mehr „künstlerisch".

Dank den vielen Anregungen und Impulsen war es daher keine große Überraschung, dass sich einige Kursteilnehmer nach dem Seminar in den Comicabteilungen oder gar in einem speziellen Comicladen, wie z.B. dem UltraComix in Nürnberg wiederfanden. In vielen regulären Sortimentsbuchhandlungen musste man allerdings schnell feststellen, dass die Comic-, Manga- und Humorabteilung doch eher spärlich besetzt und unzureichend sortiert ist. Abgedrängt in abgelegene Seitenregale, stehen die Comics unsortiert, Rücken an Rücken in ihren Fächern und werden daher gern übersehen. Ansprechende Präsentation also Fehlanzeige, es sei denn ein ganz besonderes Event gibt Anlass zur Inszenierung. Auch was das Sortiment betrifft sieht die Angelegenheit eher klamm aus, da man lediglich einzelne Bände findet. Ein weitaus umfassenderes und vollständiges Angebot an Comics, Manga & Co. kann aber über das Internet gefunden werden. Viele Verlage haben daher spezielle Homepages erstellt. Die größten Verlage in Deutschland die derzeit Comics vertreiben sind Carlsen und Egmont/Ehapa. 2009 wurde der größte Absatz über das Presse-Grosso mit 52 Mio. € erzielt.

Nichtsdestotrotz kann man mit Fug und Recht behaupten, dass dieses Comic-Hauptseminar ein voller Erfolg war und es sich bei der besagten Warengruppe durchaus um eine mit Potential handelt. Wenn es also gelänge den Comic aus seiner scheinbaren Außenseiterrolle zu befreien, indem man das Personal gezielter informiert und sich auch im Allgemeinen mehr Gedanken über eine bessere Präsentation des Produktes Comic, auch außerhalb von besonderen Events machen würde, so stünden die Chancen für mehr Umsatz im Sortimentsbuchhandel wohl gar nicht schlecht.

Eindeutiger Gewinner des Seminars war übrigens das Cartoonbuch „Simon's Cat". Ach ja, und wir, die Seminarbesucher haben natürlich auch gewonnen, denn wir sind ebenfalls eine Kundengruppe mit Potential!!