Ein kleiner, mittelständischer Verlag aus Nordhessen expandiert ins Ausland – woher nehmen Sie den Mut?
Steigner: Unser Verleger Peter Wieden hat immer wieder den Sprung ins kalte Wasser gewagt. 1984 hat er er seine gesicherte Existenz im Öffentlichen Dienst an den Nagel gehängt, um einen Verlag für Regionalia zu gründen. Und die 2005 gestartete Geschenkbuch-Reihe „Wir vom Jahrgang …" hat er innerhalb kürzester Zeit auf über 150 lieferbare Titel ausgebaut – wir haben bislang in Deutschland ja schon rund 2,5 Millionen Exemplare verkauft und die Reihe läuft und läuft. Also: Warum sollte ein solches Erfolgskonzept in anderen Ländern nicht auch funktionieren? Jetzt gehen wir erstmal in unser Nachbarland Frankreich. Im September erscheinen die ersten zwölf Titel der Reihe „Nous les enfants de …", im November die nächsten zwölf.
Warum ausgerechnet Frankreich?
Steigner: Das Land hat eine sehr ausgeprägte Buchkultur und Lesetradition. Viele Franzosen befinden sich, ähnlich wie wir Deutsche, in einer Phase der nationalen Orientierung und suchen in der globalisierten Welt nach einer emotionalen Heimat. In Zeiten der Verunsicherung neigt der Mensch zur Nostalgie, zur Sinnsuche in der eigenen Vergangenheit und Tradition. Ich denke, da kommt eine Buchreihe, die sich mit der eigenen Kindheit und Jugend befasst, gerade recht. Bei unseren Gesprächen in Frankreich hatten wir den Eindruck, mit unserer Idee offene Türen einzurennen.
Wie sind Sie denn dabei vorgegangen? Wo entstehen die Bücher, und vor allem: Wie werden Sie vertrieben?
Steigner: Zunächst einmal haben wir eine französische Lektorin gesucht, die in der Lage ist, unsere Ideen vor Ort zu vertreten und umzusetzen. Mit Marie Hermann, denke ich, haben wir eine sehr engagierte, kluge junge Frau für uns gewinnen können: Sie ist in Paris aufgewachsen, hat an der Sorbonne studiert, unter anderem auch bei Aufbau in Berlin volontiert und Bücher von Suhrkamp und Hanser ins Französische übersetzt. Seit Juni haben wir ein kleines Verlagsbüro in zentraler Lage im 10. Arrondissement, in der Rue de l´Échiquier, die übrigens schon bei Balzac und Flaubert erwähnt wird.
Wir sind von Anfang an sehr vertriebsorientiert vorgegangen und haben gleich das Gespräch mit Vertriebspartnern und Buchhändlern gesucht. Die Gestaltung der Bücher wurde sowohl mit unabhängigen Buchhändlern als auch mit Einkäufern in der Fnac-Zentrale abgestimmt, um den französischen Anforderungen in jeder Hinsicht zu entsprechen.
Hinsichtlich der ästhetischen Kriterien?
Steigner: Es gibt auch einfach andere Gewohnheiten. Zum Beispiel stoßen unsere Hardcovereinbände in Frankreich auf Befremden, weshalb wir dort auf Klappenbroschur umgestellt haben. Unser deutsches Layout entspricht nicht dem französischen Geschmack, naja – da haben wir es halt komplett neu entwickelt. Unser Vertriebspartner Sofédis war sofort Feuer und Flamme und hat uns bei der Planung des Markteintritts sehr geholfen. Das französische Know-how war uns sehr wichtig, wir haben viele Frankreichreisen absolviert – und ich habe ziemlich viel gelernt, muss ich sagen.
Jetzt haben Sie immer noch nicht verraten, wo die Bücher denn nun entstehen.
Steigner: Geschrieben wird in Frankreich; Marie Hermann hat die Zusammenarbeit mit den französischen Autoren koordiniert. Produziert werden die Bücher mit unseren Partnern in Deutschland, darum kümmert sich meine Verlagsleiter-Kollegin Bettina Tschach.
Und wie geht's weiter?
Steigner: Nächste Woche nimmt unsere Pressereferentin Olivia Castillon im Pariser Büro ihre Arbeit auf und unterstützt Marie Hermann bei ihrer Arbeit. Na, und dann sehen wir mal, wie die Bücher in Frankreich angenommen werden.