Kommentar zum Deutschen Buchpreis

Melinda – wie?

8. September 2010
Redaktion Börsenblatt
Die Shortlist zum Deutschen Buchpreis schert sich nicht um große Namen und Vorschusslorbeeren. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Holger Heimann.
Die Jury lässt das in höchsten Tönen gepriesene Buch von Büchnerpreisträger Martin Mosebach beiseite und gibt nichts auf den Aktualitäts­bonus von Thomas Hettches neuem Roman. Stattdessen rückt sie Bücher und Autoren ins Licht, die nur einem kleineren Kreis bekannt sein werden: Doron Rabinovici, Melinda Nadj Abonji, Judith­ Zander – das sind Namen, die viele erst buchstabieren lernen müssen.

Rabinovicis bekanntestes Buch ist bislang wohl seine Disser­tation im Fach Geschichte; als Romancier ist er noch zu entdecken. Melinda Nadj Abonji debütierte 2004, ein nachhaltigerer Auftritt dürfte ihr erst jetzt gelingen. Judith Zander, Absolventin des Deutschen Literaturinstituts in Leipzig, schaffte es mit ihrem Erstling auf die Liste. Peter Wawerzinek und Jan Faktor waren als Dichter vom Prenzlauer Berg zu lange vor allem nur in der dortigen Szene bekannt. Thomas Lehr schließlich mag noch der renommierteste Autor im Bunde sein, gewiss jedoch zählt er zu jenen, die mehr gerühmt als gelesen werden.
Der Deutsche Buchpreis, so wurde von Kritikern der Auszeichnung gern immer wieder argumentiert, verenge den Blick: erst auf 20, dann auf sechs, schließlich auf einen Titel – zulasten vieler anderer Bücher. Zumindest im Jahr 2010 ist das Gegenteil richtig: Der Preis regt dazu an, überhaupt erst einmal hinzuschauen.