Frankfurter Buchmesse

"Mit der Digitalisierung wächst auch das Bedürfnis nach persönlichem Austausch"

15. September 2010
Redaktion Börsenblatt
Technologie- und Inhaltelieferanten rücken im Zeichen der Digitalisierung zusammen. Die digitale Initiative Frankfurt Sparks bahnt den Weg für neue Partnerschaften und Projekte: In diesem Jahr haben die Frankfurt Hot Spots und die Konferenz Story Drive Premiere. Boesenblatt.net sprach mit Buchmesse-Direktor Juergen Boos über den neuen Themenschwerpunkt.

Die digitale Initiative Frankfurt Sparks ist das Leitmotiv der Frankfurter Buchmesse. Worum geht es dabei?

Boos: Die Digitalisierung ist ja schon lange im Herzen der Buchmesse angekommen – mit Frankfurt Sparks wollen wir das auch auf allen Ebenen, in allen Hallen thematisieren. Es geht darum, Inhalte und Technologie zusammenzubringen – aber auch die Menschen dahinter. Und es geht darum, die Medienbranchen miteinander zu vernetzen, also Games, Film & TV, Musik, Online mit der Buchbranche. Frankfurt Sparks soll alle Digitalisierungsangebote der Buchmesse bündeln und in der Mitte der Messe verankern, es ist aber auch ein Format, unter dessen Dach Konferenzen und Ausstellungen ganzjährig stattfinden werden. Auf der Messe 2010 starten wir mit zwei Projekten, den Hot Spots und StoryDrive. Der Gedanke dahinter ist, dass die Digitalisierungsdebatte in der Verlagsbranche, aber auch in der Öffentlichkeit bislang stark von der Hardware, also den neuen E-Readern und Tablet-PCs, geprägt ist. Jetzt rücken langsam die Inhalte in den Vordergrund, also die Frage, wie sich die Inhalte durch die neuen medialen Möglichkeiten verändern und wie wir morgen lesen werden.

Das ruft auch Unternehmen auf den Plan, die sich für die Buchbranche bisher kaum interessiert haben …

Boos: Ja. Es sind Telekommunikationsanbieter und Hardwareproduzenten, die merken, dass technologische Innovationen Inhalte brauchen. Für die Inhalte sind die Verlage die Experten, die ihrerseits wieder Bedarf an Technologie-Input haben. Unsere neue Kooperation mit dem Bitkom, der die ITK Branche, aber auch die neuen Medien vertritt, ist daher ein ideale Win-win Situation – auf der einen Seite die Inhalte-Anbieter, auf der anderen Seite die  Technologie-Branche.

Wird die Transformation, deren Zeuge wir alle sind, auch den Messeplatz nachhaltig verändern?

Boos: Wir werden uns von der Leistungsschau alten Stils – mit immer größeren Verlagsständen – verabschieden. Künftig wollen wir Rahmen und Plätze für die Kommunikation schaffen: Wir werden »1.000 Konferenzen« sein, und die Produktpräsentation wird an Bedeutung verlieren. Der Rechtehandel wird immer wichtiger werden, da die neuen Medien auch neue Inhalte erfordern, und neue Zielgruppen erschlossen werden. Die Verwertungskette von Rechten wird also länger, und komplizierter. Wir sehen das daran, dass unser Literary Agents & Scouts Centre (LitAg) in diesem Jahr wiederum gewachsen ist – nachdem schon 2009 rund elf Prozent mehr Agenturen vertreten waren.

Können Sie dann noch die Hallen füllen?

Boos: Mit Frankfurt Sparks setzen wir auf die Vernetzung der Medienbranche. Wenn die Inhalte multimedial aufbereitet werden, wenn also zu Text und Illustration auch Audio und Video hinzukommen, erweitern sich die Schnittstellen. Das so genannte enhanced oder enriched e-book, das vor allem in den USA und in Großbritannien schon auf dem Markt ist, ist hier das "next big thing": Bücher multimedial. Die Branche wird in diesem Sinne größer. Auch aus dem Technologie-Bereich erschließen wir neue Zielgruppen. Die Frankfurt Hot Spots etwa bündeln dieses Jahr 65 digitale Dienstleister und Technologieunternehmen mitten in fünf Messehallen, zu verschiedenen Themen – darunter sind viele Neukunden. Mit der Digitalisierung wächst auch das Bedürfnis nach persönlichem Austausch.  Dafür bieten wir Services, die auch unser Geschäftsmodell verändern werden. Künftig wollen wir mit Konferenzen, Workshops und anderen Veranstaltungsformaten mehr Geld verdienen.

Beim Sparks-Projekt StoryDrive sollen innovative, transmediale Erzählformen erprobt werden. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Boos: Crossmedial nannte man bisher die sukzessive Verwertung von Inhalten in verschiedenen Medien: Film, Buch, Hörbuch. Beim transmedialen Erzählen sind die verschiedenen Formate so miteinander verzahnt, dass das eine ohne das andere nicht denkbar ist. Die Geschichte entwickelt sich nicht mehr sukzessiv, sondern parallel. Man betritt die Story mit einem Buch und verlässt sie beispielsweise durch einen Film.

Kann man dies auf der Messe miterleben?

Boos: Ja, mit unserem Crowdsourcing-Projekt Flying Sparks, an dem sich Autoren und Medienkünstler beteiligen können. Wir haben einer Gemeinschaft von Kreativen auf Jovoto.com die Aufgabe gestellt, eine Geschichte über möglichst verschiedene Medien und Formate zu erzählen. Das beste Produkt wird prämiert, und Verlage haben die Möglichkeit, die Rechte daran zu erwerben. Und natürlich auf der Konferenz StoryDrive, wo anhand von Fallbeispielen unterschiedliche Formen des transmedialen Erzählens vorgestellt werden.

Glauben Sie, dass digitale Medien unser Leseverhalten ändern werden?

Boos: Die Rezeption wird sich ganz bestimmt wandeln. Vielleicht sind viele Menschen nicht mehr in der Lage, komplexe Textstrukturen nachzuvollziehen. Es gibt aber auch Gegenbeispiele.      

Hinkt Deutschland bei der Digitalisierung hinterher?

Boos: Nein, wir stehen nur an einem anderen Punkt. Und man darf nicht vergessen: Unsere Branche verfügt über ein einzigartiges Know-how, das weltweit geschätzt wird.

Interview: Michael Roesler-Graichen

 

Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 32 und 33 im Spezial Buchmesse des Börsenblatts.

 

Frankfurt Sparks

Unter dem Dach der digitalen Buchmesse-Initiative Frankfurt Sparks finden zwei neue Projekte statt: Frankfurt HotSpots und Frankfurt StoryDrive.

  • HotSpots bringt auf sechs Themeninseln Technologieanbieter und Inhalteanbieter zusammen (Hallen 3.1, 4.0, 4.2, 6.0, 8.0).
  • StoryDrive (Forum Film & Media, Forum Ebene 0) ist der Treffpunkt der Medien- und Entertainmentwelt – mit einer zweitägigen Konferenz und einem Handelsplatz für crossmediale Rechte.