Messebuchhandlung verlangt von Verlagen eine Servicegebühr

„Die Schmerzgrenze ist erreicht“

22. September 2010
Redaktion Börsenblatt
Um den Personalaufwand und die Logistik weiter betreiben zu können, möchte die Messebuchhandlung der Leipziger Buchmesse von den Verlagen eine Gebühr. Kleinere Verlage sollen eine Pauschale von 15 Euro zahlen, größere fünf Euro pro Quadratmeter Standfläche. boersenblatt.net sprach mit Heike Grümmer von der Messebuchhandlung:
Wieso erhebt die Messbuchhandlung eine Servicegebühr?
Heike Grümmer: Wir haben inzwischen vier Filialen und bestücken nahezu alle der rund 1000 Veranstaltungen auf der Messe. Wir betreuen, wenn gewünscht, noch für den kleinsten Verlag Signierstunden. Es begann mit rund 300 teilnehmenden Verlagen, heute sind es 600. Das alles erfordert einen beträchtlichen Personalaufwand: Wir sind mit 30 Mitarbeitern gestartet, inzwischen beschäftigen wir rund 150. Außerdem ist es schlichtweg so, dass unsere Vertragspartner ihre Gebühren über die vergangenen Jahre hinweg erhöht haben. Das reicht bis hin zu den Versicherungen, die wir abschließen müssen. Bislang konnten wir das abpuffern – und dennoch unsere Serviceleistungen verbessern. Jetzt war die Schmerzgrenze für uns erreicht.

 

Kleinere Verlage waren schon nach der Messe-Entscheidung, Gebühren für die „Leipzig liest“-Teilnahme zu erheben, nicht gerade begeistert. Fürchten Sie weiteren Unmut?
Grümmer: Ich bin durchaus für kritische Nachfragen gerüstet: Wir haben 120.000 Euro Kosten, bis überhaupt ein Cent hängen bleibt. Und diese Kosten steigen stetig: Nicht nur Strom- und Telefongebühren, auch Verpackungsmaterialien sind aufgrund gestiegener Papierpreise teurer geworden. Dazu bekommen die Verlage jedes Buch bezahlt, das bei uns gestohlen wird. Das waren vor vier Jahren immerhin Bücher im Wert von 20.000 Euro. Inzwischen haben wir einen Wachschutz engagiert, dennoch wird gestohlen. 

Wieso haben Sie nicht an der Rabattschraube gedreht?
Grümmer: Wir haben das natürlich durchgerechnet – und im Interesse der Verlage davon Abstand genommen: Selbst jene, mit denen wir den meisten Umsatz machen, fahren mit der Servicegebühr günstiger als mit angenommenen 48 Prozent Rabatt. Dagegen sollten die für Kleinere pauschal erhobenen 15 Euro zu verschmerzen sein. Größere Verlage, die fünf Euro pro Quadratmeter Standfläche zahlen, fangen die Kleineren ein Stück weit auf – wenn Sie so wollen, eine Art Solidarpakt.  

Kleinere Verlage fordern seit Jahren die Freigabe des Messeverkaufs am Stand. Ist ihr Schritt nicht eine Steilvorlage für deren Argumentation?
Grümmer: Die Preisbindung bliebe dann wohl auf der Strecke.

Letztlich spiegeln die Verkäufe in der Messebuchhandlung die Situation im Sortiments-Alltag wider ...
Grümmer: Wir generieren 80 Prozent unseres Umsatzes mit rund fünf Prozent der Verlage. Diese Verlage könnten den Verkauf am Stand logistisch gar nicht bewältigen.  

Hat das Konzept Messebuchhandlung Zukunft?
Grümmer: Ja, sie zieht messbar Leser auf die Messe. Wir haben Kunden, die sich bereits an Weihnachten Büchergutscheine für die Messebuchhandlung schicken lassen.

Wird es bei der jetzigen Gebührenstruktur bleiben?
Grümmer: Für die kommenden drei Jahre auf jeden Fall. Aber wir sind guter Hoffnung, dass wir damit auch die nächsten 13 Jahre über die Runden kommen.

 

Interview: Nils Kahlefendt