Meinung

Wir brauchen einen Branchenkonsens

18. November 2010
von Börsenblatt
Warum Rabatte und Konditionen dringend neu geregelt werden müssen. Von Dieter Dausien, Buchladen am Freiheisplatz, Hanau.
Worum geht es, wenn jetzt Sortimenter mit Verlagen über die Frage angemessener Konditionen sprechen? Es geht dabei nicht um Tarifverhandlungen und auch nicht um eine Frage der Moral. Ziel ist die Sicherung der Existenzgrundlage einer Buchhandelslandschaft, wie wir sie heute kennen und die eine Bedingung des Buchpreisbindungsgesetzes darstellt.

Wenn die Preisbindung erhalten werden soll, dann muss sie ihren Zweck erfüllen. Der Zweck ist nicht die gesicherte Marge von wenigen Filialisten, sondern der Erhalt eines engmaschigen Buchhandelsnetzes. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn es möglich ist, eine Buchhandlung wirtschaftlich so zu betreiben, dass ihre Existenz und die ihres Inhabers zu sichern ist. Dazu gehört auf Seiten des Sortimenters die ganze Bandbreite kaufmännischen Geschicks, die von ihm zu erwarten ist. Wenn also keine Ressourcen vergeudet werden, wenn, den Schalmeienklängen mancher Verlagsvertreter zum Trotz, kein Geld in ein überhöhtes Warenlager gesteckt wird, wenn also eine Buchhandlung nach menschlichem Ermessen kaufmännisch gut organisiert ist, muss, oder, besser gesagt, müsste sie auch einen Ertrag abwerfen. Einen Ertrag, der den dort Arbeitenden ein angemessenes Einkommen beschert und keinen Hungerlohn. Einen Ertrag, der außerdem Rücklagen bilden lässt für notwendige Investitionen, aber auch für die Altersvorsorge des Inhabers.

Die Realität sieht leider anders aus: Die Buchhandlungen, die das Gros des Buchhandelsnetzes ausmachen, existieren, weil die Inhaber auf ein angemessenes Einkommen verzichten. Rücklagen gibt es nicht, Investitionen müssen kreditfinanziert werden, wenn keine Bank etwas geben will, greift man auf Freunde und Verwandte zurück. Eine Folge: Buchhandlungen schließen, aus Illiquidität oder um dieser vorzubeugen. Oder, weil sich kein Nachfolger für solch ein zweifelhaftes Geschäftsmodell findet, schon gar nicht bei den eigenen Kindern, die erfahren haben, wie das Leben aussieht, wenn der angebliche »Ernährer« trotz 70-Stunden-Woche nicht den familiären Lebensunterhalt bestreiten kann.

Setzt sich diese Entwicklung fort, ist der Auftrag des Buchpreisbindungsgesetzes irgendwann nicht mehr zu erfüllen. Es geht um die Verantwortung der Verlage: Durch die Preisbindung haben sie die Hoheit über Preise und Margen der Sortimenter. Wenn dem Sortimenter abverlangt werden kann und muss, seinen Betrieb wirtschaftlich zu führen, so muss dem Verlag abverlangt werden, einen Preis festzusetzen, der eine für das Sortiment auskömmliche Marge ermöglicht.

Und darum geht es in Paragraf 6 des Buchpreisbindungsgesetzes, in dem es heißt: »Verlage müssen bei der Festsetzung ihrer Verkaufspreise und sonstigen Verkaufskonditionen gegenüber Händlern den von kleineren Buchhandlungen erbrachten Beitrag zur flächendeckenden Versorgung mit Büchern sowie ihren buchhändlerischen Service angemessen berücksichtigen. Sie dürfen ihre Rabatte nicht allein an dem mit einem Händler erzielten Umsatz ausrichten.« Jeder in der Buchbranche weiß, dass dieser Satz graue Theorie ist, dass Rabatte in aller Regel vom Jahresumsatz abhängig gemacht werden und, dass sie häufig keine tragfähige Rentabilität zulassen.

Hier fehlt es an einer Verkehrsordnung, die die Gewährung von Rabatten und Konditionen in einer Weise regelt, die das Überleben einer breiten Sortimentslandschaft möglich macht. Wenn jetzt Sortimenter und Verlage über die Auslegung des Paragrafen 6.1 sprechen, dann geht es genau darum, dies zu definieren und in einem Branchenkodex festzulegen. Und damit um den Erhalt unserer Buchhandelslandschaft und letztlich den Bestand der Preisbindung überhaupt.