Buchwissenschaftler fragen Branchenköpfe

Fünf Fragen an Filmproduzent Ulrich Limmer

19. Januar 2011
Redaktion Börsenblatt
Ulrich Limmer, Gründer und Geschäftsführer der Collina Filmproduktion, hielt im Rahmen der Vortragsreihe "Das Buch in den Medien" an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gestern einen Vortrag über die Kinoproduktion in Deutschland. Die Buchwissenschaftsstudenten fragten nach.

Herr Limmer, warum sind Sie Filmproduzent und Drehbuchautor geworden und was macht Ihre 2002 gegründete Filmproduktionsfirma?
Limmer: Filmleute lieben Filme. Ich mache die Arbeit aus Begeisterung und Leidenschaft. Collina film ist eine kleine Firma mit drei Angestellten. Wir konzentrieren uns meist auf einen Film pro Jahr. Daher überlegen wir uns sehr, sehr genau, welchen Film wir machen. Zu meinen bisherigen Produktionen gehören unter anderem Das Ende ist mein Anfang, Die Friseuse, Die Liebesflüsterin, Freche Mädchen und früher zu meinen Zeiten als bavaria – Produzent Schtonk!, der für den Oscar nominiert war.

 

Der deutsche Film hat es derzeit nicht leicht. Unter den Top 20 Filmen von Januar 2010 bis Januar 2011 findet sich nur auf Platz 20 nach Besucherzahlen ein deutscher Film, nämlich Freundschaft. Wie geht es dem deutschen Kinofilm? Haben deutsche Produktionen überhaupt eine Chance gegenüber amerikanischen Filmen?
Limmer:
2010 hatten deutsche Filme einen Marktanteil von 14,6 % bei einem Gesamtumsatz von 118,9 Millionen Euro. 2009 waren es 27,4 % bei einem Gesamtumsatz von 146,3 Millionen Euro. Das sind Einbußen von über 50 % im letzten Jahr. Das Filmgeschäft ist nun mal starken Schwankungen ausgesetzt und sehr stark abhängig von Einzelereignissen, wie einem Bully Herbig Film. Zusätzlich findet der deutsche Film in den amerikanischen Wettbewerbern, die mit sehr viel größerem Produktions-  und Werbebudget ausgestattet sind, eine überstarke Konkurrenz. Dazu kommt noch, dass es nicht einfach ist, den deutschen Zuschauer vom Bildschirm wegzulocken, damit er sich deutsche Filme im Kino ansieht. Es sind ungefähr 150 deutsche Filme im letzten Jahr ins Kino gekommen. So viel verträgt der Markt nicht. Und dennoch gibt es unter diesen vielen Filmen immer wieder Überraschungserfolge, wie in diesem Jahr beispielsweise „Vinzent will Meer“

Es gibt zahlreiche erfolgreiche Filme, die auf erfolgreichen Büchern beruhen. Könnte man die Formel „Auflage x Qualität = Erfolg“ als Patentformel aufstellen?
Limmer: Die Formel trifft auf manche Buchverfilmung zu, dennoch gibt es leider auch Gegenbeispiele, bei denen diese Formel nicht funktioniert hat. Nicht nur die Qualität des Buches ist wichtig, sondern auch ganz besonders die Qualität des Films. Auch der Starttermin spielt eine Rolle. Also kann man sagen: Genauso wenig wie es auf dem Buchmarkt ein Bestsellerrezept gibt, gibt es ein Patentrezept für einen erfolgreichen Film.

Wann wird ein Buch zum Film?
Limmer: Produzenten lesen. Ich kenne keinen Produzenten, der nicht liest. Wenn man ein gutes Buch gefunden hat, ist es nicht allein die Auflage, die zählt – obwohl es, sobald ein Buch auf die Spiegel-Bestsellerliste kommt, einen großen Run auf die Rechte gibt. Viel mehr ist es der Stoff selbst, der das Interesse ausmacht. Zudem ist es wichtig, dass man das Buch und die Leser kennen lernt und sich fragt, wer die Zielgruppe ist, welches Genre der Film haben soll. Außerdem muss man die innere Wahrheit des Buches herausfinden. Doch die allerwichtigste Frage, die man sich stellen muss, ist: Liebe ich das Buch? Wenn man das tut, sollte man versuchen, die Rechte zu bekommen. Allerdings ist es immer auch die Frage, ob sich der Verlag und vor allem der Autor mit dem Produzenten wohlfühlt. Der Autor, der an seiner Geschichte hängt, sollte wissen, dass seine Geschichte richtig aufgehoben ist und sie adäquat umgesetzt wird. 

 

Sie haben gesagt, man muss das Buch lieben, das man verfilmen möchte. Zu Ihren Buchverfilmungen gehören unter anderem "Das Sams" und "Sams in Gefahr" von Paul Maar. Was lieben Sie an dem frechen Jungen im Taucheranzug mit den Wunschpunkten im Gesicht?
Limmer: Als mein Sohn sechs, sieben Jahre alt war, hörten wir im Auto ständig Hörkassetten, vor allem die vom Sams. Am Sams habe ich die Figur und besonders die Geschichte geliebt. Es war eine lustige, völlig andere Erzählweise. Ich habe einen sehr guten Draht zur Geschichte bekommen und wollte sie verfilmen. Daraufhin bin ich zum Verlag geflogen und habe nach den Filmrechten gefragt. Sowohl der Verlagsgeschäftsführer wie auch Paul Maar wollten von mir wissen, was ich mir bei der Verfilmung vorstelle und ich sagte: Die Poesie, von der die Geschichte lebt, darf nicht verändert werden. Das gab den Ausschlag für die Zusage. 2001 und 2003 erschienen die ersten beiden Filme, gerade arbeite ich an einem dritten Sams-Film.

 

Interview: Elisabeth Böker