Lektorenkonferenz Hildesheim

Warum man nicht immer aus der Torte springen kann

31. Januar 2011
Redaktion Börsenblatt
Es ist bemerkenswert, wie viel sich Lektorinnen und Lektoren zu erzählen haben – übrigens ohne, dass es um Indiskretionen in Autoren- oder Verlagsdingen ginge, da sind sie alle ganz und gar loyal und verschwiegen, wie es sich für den Berufsstand gehört. Zu erleben war dies einmal mehr am Wochenende bei der mittlerweile sechsten Lektorenkonferenz der Universität Hildesheim, zu der Luchterhand-Lektor Klaus Siblewski eingeladen hatte.
Der Austausch in diesem Jahr drehte sich um die Programmarbeit, wobei die angeschnittenen Themen von praktischen bis zu fast moralischen Fragen reichten. Wie sind die Abläufe bei der Manuskriptakquisition? Wie verschafft man sich Überblick beim Planen? Hier gab es Plädoyers für und gegen Stecktafeln, Tabellen und individuell geführte Word-Dateien. Wo liegt die Entscheidungskompetenz, welchen Einfluss hat der Vertrieb? Wie praktikabel sind ausgeklügelte „Titelannahmeverfahren“, in denen die Manuskripte schon beim Rechteeinkauf nach der zu erwartenden Verkäuflichkeit kategorisiert werden? 

Was ist absurder, was hilfreicher: die Einteilung der Titel in Kategorien von A bis E oder die Verständigung über das, was man sich von einem Buch verspricht, als Gespräch zwischen Tür und Angel – um einmal die beiden Extreme zu nennen? Wie verhält man sich als Lektor bei Titeln, die ihre Schwächen haben, aber aus gutem Grund dennoch gemacht werden sollten („Man kann ja nicht bei jedem Buch aus der Torte springen und sagen: sowas Tolles gabs noch nie“)? Wie entstehen aus Zufallserfolgen neue Genres? Welche neuen Aufgaben bescheren E-Books und social media dem Lektorat?

Das Spektrum, wie mit diesen Dingen in den einzelnen Häusern umgegangen wird, ist naturgemäß groß, saßen doch in Hildesheim Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichsten Verlagsformen zusammen: unabhängige und Konzernverlage, verlegergeführte und welche mit eher bürokratischen Entscheidungsstrukturen.

Das zweite große Thema war der Ausstieg aus dem Verlag: allein sechs der Anwesenden haben diesen Schritt in den vergangenen Monaten vollzogen oder sind dabei, sich vom Angestelltendasein zu verabschieden. Es ging um die Hintergründe dieser Entscheidungen, um Desillusion und Neuanfang, Vor- und Nachteile der Arbeit als Außenlektorin oder freier Mitarbeiter, um denkbare zukünftige Arbeitsmodelle. Man war sich einig: Das Berufsbild Lektor ist in Bewegung – und es tut gut, sich darüber von Zeit zu Zeit ganz ungestört vom Tagesgeschäft austauschen zu können.

 

Charlotte Brombach, noch bis März Lektorin bei Suhrkamp