Buchwissenschaftler fragen Branchenköpfe

Fünf Fragen an Heidi Schmidt

2. Februar 2011
Redaktion Börsenblatt
ARD-Onlinekoordinatorin Heidi Schmidt hielt im Rahmen der Vortragsreihe „Das Buch in den Medien" an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gestern einen Vortrag zum Thema „Leuchtende Texte und bewegte Bilder”. Die Buchwissenschaftsstudenten fragten nach.
Frau Schmidt, wann ist für Sie ein Buch ein Buch?
Heidi Schmidt: Ein Buch ist für mich dann ein Buch, wenn ich ein Buch lese. Durch Lesen wird ein Buch zum Buch.


Das heißt, die vielfach als so wichtig empfundene Haptik hat für Sie keine Bedeutung?
Heidi Schmidt: Doch selbstverständlich. Ich liebe es, ein Buch in der Hand zu haben. Das Leseerlebnis ist aber nicht mehr an dieses haptische Erlebnis gebunden. Ein Beispiel aus meiner täglichen Arbeit: Die ARD Mediathek bietet Videos unserer Fernsehsendungen auf Abruf an. Ist Fernsehen an den Ablauf eines festgelegten Programmschemas gebunden? Nach meiner Auffassung ist Fernsehen, wenn ich fernsehe, wann ich will und auf dem Gerät meiner Wahl. Und ein Buch ist für mich ein Buch, wenn ich ein Buch lese, egal ob es mir in gedruckter oder elektronischer Form vorliegt.

 

Wie sehen Sie als Onlinekoordinatorin die Verlagsaktivitäten im E-Book Bereich?
Heidi Schmidt: Verlage sollten sich aktiver in den neuen Markt hineinbewegen und gute Angebote in Deutschland schaffen. Nach meiner Auffassung gibt es noch zuwenig deutschsprachige Titel als E-Book, zu wenig gute Kombinationen aus Download to own-Angeboten und Leihmöglichkeiten. Eine monatliche Abo- oder Leihgebühr kann eine Alternative zum Vollladen der eigenen Festplatte sein. Verlage sollten sich für die Entwicklung öffnen und ein gutes Angebot auf dem dynamischen Markt setzen.

 

Sehen Sie die Verlage als die zukünftigen Spieler in dem Bereich?
Heidi Schmidt: Es ist gut möglich, dass es jemand leichter hat, der auf der grünen Wiese ein Geschäftsmodell entwickeln kann. Hier kommt den Aggregatoren eine Schlüsselrolle zu. Traditionelle Medienanbieter versuchen meist erst, ihre Tradition zu bewahren. In der Zeit überlässt man anderen den Markt.

 

In welchem Bereich sollte sich das Buch in der Medienkonvergenz positionieren? Ist die Konvergenz der richtige Weg? Oder sollte sich das Buch dagegen wehren?
Heidi Schmidt: Die Konvergenz ist ein unumkehrbarer Prozess, der zu einer Diversifizierung des Angebots führt. Technisch ist es möglich, einen Text vielseitig anzureichern. Multimediale Bücher wird es geben. Doch man wird nicht immer wollen, dass sich beim Lesen sofort ein neuer Link öffnet. Wir werden mit der Zeit lernen, was sinnvoll, was wichtig ist. Ich bin mir ganz sicher, dass wir es auch in Zukunft lieben werden, wenn man sich ungestört in einen Text vertiefen kann und dieser das Kino im Kopf erzeugt. Mit dem gedruckten Buch in der Hand oder einem E-Book-Reader.

 

Interview: Elisabeth Böker