Leipziger Buchmesse

"Die beharrlichen Wege der Sanftmut"

17. März 2011
Redaktion Börsenblatt
Das Prinzip Buchmesse: Mit einem Festakt im Gewandhaus wurde am Mittwochabend das Leipziger Frühjahrtreffen der Branche eröffnet. Zum Auftakt erhielt der Schriftsteller und Übersetzer Martin Pollack den mit 15.000 Euro dotierten Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2011.
Der Abend, der vom gewohnt gut aufgelegten Gewandhausorchester unter Leitung von Giovanni Antonini mit Mozart und Haydn umrahmt wurde, begann mit einer Abweichung vom Protokoll: Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung verzichtete auf sein Grußwort und las, mit Blick auf das Reaktorunglück in Japan, Passagen aus Christa Wolfs „Störfall“; ein Text, der als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 entstanden war.

Börsenvereins-Vorsteher Gottfried Honnefelder warb in seinem Grußwort für das „Prinzip Buch“ in gedruckter und digitaler Form. Es lasse sich nur erhalten, „wenn wir seine kulturelle Bedeutung als Herausforderung begreifen und sie durch neue Wege der buchhändlerischen Vermittlung immer wieder neu zum Leben bringen“. Von der politischen Führungsspitze forderte Honnefelder mehr Sensibilität beim Thema Urheberrecht; der laxe Umgang mit dieser Materie sei „kein Kavaliersdelikt“.

Höhepunkt des Abends war eine so warmherzige wie witzige, mit ihrem Ton genau auf Herz und Verstand der Zuhörer zielenden Laudatio der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff: „Martin Pollack ist ein Genauigkeitseiferer ohne die Verranntheit des Pedanten. Etwas altmodisch ausgedrückt: er trägt das Herz auf dem rechten Fleck. Herz, von dem ich, ohne den Mann näher zu kennen, glaube, dass es eher in einem sanftmütigen, mitleidsfähigen Melancholiker schlägt als in einem zornbebenden Rechthaber, der Genugtuung fordert. Wenn es um die Grausamkeit geht, die Menschen Menschen antun, wenn gezeigt wird, was geschah, aber nicht hätte geschehen dürfen, sind die beharrlichen Wege der Sanftmut manchmal wirksamer als die auf den Tisch gehauene Faust des Empörers.“

Der so gepriesene Autor trug dem in seinen Dankesworten Rechnung, indem er, moderat im Ton, aber glasklar in der Sache, die unmenschliche Praxis der westeuropäischen Abschottungspolitik kritisierte: „Das freie und wohlhabende Europa hat seine Grenzen nach Osten verschoben, aber verschwunden sind diese Grenzen nicht. Im Gegenteil. Die neuen Grenzen, die unseren Kontinent zerschneiden, werden nicht weniger streng bewacht als zu Zeiten des Kalten Krieges, allerdings stellen wir jetzt die unerbittlichen Wächter. Diesmal sind wir es, die Bewohner der westlichen Länder, die sich hinter raffiniert gesicherten Grenzen verschanzen und verlangen, diese immer noch dichter zu machen, um die Anderen... draußen zu halten.“ Pollack verwies auf die dramatischen Rückschläge der Demokratiebewegung unter anderem in Weißrussland und der Ukraine und appellierte an Autoren, Übersetzer, Verleger und Journalisten, den Werken von Schriftstellern „auf der anderen Seite Europas“ hierzulande alle Türen zu öffnen. „In unserem eigenen Interesse.“

nk