Laudatio auf Martin Pollack

"Auf geheimen Wegen sind wir alle miteinander verbunden"

17. März 2011
Redaktion Börsenblatt
"Schauen wir alle auf ihn, schauen voller Verwunderung auf den Mann, der sich so glorreich aus dem Amstettener Freßapparätchen von ehedem herausentwickelt hat!" - die Schriftstellerin Sybille Lewitscharoff hat gestern im Leipziger Gewandhaus eine funkensprühende Laudatio auf Martin Pollack Funken gehalten.

Wir veröffentlichen ihre Rede im Wortlaut:  

"Es ist mir eine Ehre, und es bereitet mir Vergnügen, einen wahrhaft Preiswürdigen Ihnen leuchtend in seinem geistigen Vermögen, leuchtend in seinen Talenten und dem darunter zuhandenen Charakter vor die Augen heben zu dürfen: Martin Pollack.

Die Funktionen, in denen er tätig wurde, sind rasch zusammengefaßt: als Journalist, unter anderem beim Spiegel, als Übersetzer aus dem Polnischen – darunter wäre aufzuführen die königliche Übersetzung des König der Könige, einem wahrhaft erstklassigen, dunkel phantasmagorischen Buch von Ryszard Kapuszínski über das Ende von Haile Selassi – als Verfasser zahlreicher Essays und einiger Bücher, die zwar unter der Rubrik Sachbuch geführt werden, aber eigentlich in eine Zwischenkategorie gehören, in der historische Studie und Reportage eine anziehende Verbindung mit dem Literarischen eingehen. Um an die Fakten zu kommen, bedarf es zunächst einer nervösen Nase, der Witterungsenergie eines Schatzhebers, es braucht Fleiß. Im Falle der Themen, denen sich Pollack widmet, sind genaue Kenntnisse fremder Sprachen vonnöten; es braucht Sitzfleisch, um es genügend lang in Archiven auszuhalten, und man muß sich unbekannte Menschen geneigt machen können, damit sie Auskünfte erteilen.

Bei aller Fähigkeit, verblüffende Fakten zu ermitteln, bei allem Genauigkeitseifer, der Martin Pollack auszeichnet, kommen jedoch wichtige Begabungen hinzu: Er kann erzählen, kann detailreiches Material erzählerisch so binden, daß der Stoff nicht in tausend Partikel auseinanderfällt.Martin Pollack ist ein Genauigkeitseiferer ohne die Verranntheit des Pedanten. Etwas altmodisch ausgedrückt: er trägt das Herz auf dem rechten Fleck. Herz, von dem ich, ohne den Mann näher zu kennen, glaube, daß es eher in einem sanftmütigen, mitleidsfähigen Melancholiker schlägt als in einem zornbebenden Rechthaber, der Genugtuung fordert. Wenn es um die Grausamkeit geht, die Menschen Menschen antun, wenn gezeigt wird, was geschah, aber nicht hätte geschehen dürfen, sind die beharrlichen Wege der Sanftmut manchmal wirksamer als die auf den Tisch gehauene Faust des Empörers.

Bevor wir ins Herz der Finsternis greifen, noch ein Wort zu seiner Erzählweise. Er führt eine klare Sprache. Von jedermann, der mühelos liest, kann sie verstanden werden. Der Erzählfluß kommt niemals vor einem aufgetürmten Faktengebirge ins Stocken, er schmiegt sich vielmehr natürlich den in seinem Schlepp mitgeführten Fakten an, fließt um sie herum, vertieft ihre Wirkung durch atmosphärische Einschübe oder treffende Signalwörter, die wie schwimmende Inseln am Leser vorbeitreiben, Signalwörter, die der Strom hundert, hundertzwanzig oder sechzig, siebzig Jahre früher vom Ufer der Geschichte losgerissen hat.

A propos Atmosphäre. Marschieren wir gleich ins unwirtliche Gelände. Ziemlich am Anfang des Buchs über die eigene Familie steht Pollack mit seiner Frau am Eingang des Bunkers, in dem einst die Leiche seines Vaters gefunden wurde: Wir machten einen Bogen um hohe Brennesseln, dunkle Inseln im hellgrünen Krautwerk, mit jedem Schritt scheuchten wir Wolken winziger Mücken aus dem Dickicht. 1947, auf der Flucht, war der Mann von einem Raubmörder erschossen worden, der ihn hätte über den Brennerpaß bringen sollen. Aus dem Boden ragt ein Betonring des Bunkers, darauf ein Buckel mit vergitterten Sehschlitzen, aus denen uns modriger Geruch entgegenschlug. Modrig geht’s auch im weiteren zu. Es ist aber nicht der erdhaft würzige Waldmoder, der den Buchseiten entsteigt, sondern Leichenmoder, umstanden von finsterem Krautwerk.

Ja, der Mann kann hervorragend schreiben. Begleiten wir den kleinen Martin für eine Kostprobe ins großelterliche Haus in Amstetten: Ich erinnere mich an das kühle Halbdunkel im Stiegenhaus und an den stilisierten gußeisernen Löwenkopf mit dem weit aufgerissenen Maul, der den Antrittspfosten der Stiege krönte.Hören wir dem erwachsenen Herrn Pollack zu, wenn er Wörter aus ideologisch hochgerüsteter Zeit heranführt: Scharlieder, Keulenschwingen mit Musikbegleitung, Heimtückegesetz. Gottgläubig. Gottgläubig klingt zunächst unauffällig, war damals aber ein Signalwort, welches anzeigte, daß man als Nationalsozialist aus der Kirche ausgetreten war. Es kommen natürlich auch schöne und harmlose Wörter vor, denen einfach nur ein ländlicher Vergangenheitsgeruch anhaftet – der Bachtrog etwa, oder ein Taschenmesser, das in einer Hülle aus weichem grauem Rauhleder verwahrt wird.

Das Herz der Finsternis. Einen Moment zögere ich, hier die Herkunft unseres Mannes heranzuführen, ganz einfach, weil bei allzu dicker Betonung der Herkunft eines Menschen immer die Minderung dessen beschlossen ist, was er auf eigene Rechnung und Gefahr hin unternommen hat, was sein erwachsenes Leben – und nur den daraus gezogenen Ergebnissen gewähren wir ja einen Preis –, vielleicht zu einem außerordentlichen gemacht hat.Dennoch, es muß sein. Meine Berechtigung, mich hier in seiner Familiengeschichte zu suhlen, ziehe ich aus Martin Pollacks Buch Der Tote im Bunker. Pollack ist nicht der Name seines leiblichen Vaters, es ist der Nachname seines Stiefvaters. Der leibliche Vater war ein Jurist – Dr. Gerhard Bast. Geboren in Gottschee, das 1918 an Jugoslawien fiel, aufgewachsen in Amstetten, wurde Bast später Sturmbannführer und Leiter der Gestapo in Linz; er befehligte Sonderkommandos im Kaukasus, in Polen und der Slowakei. Kein kleiner Nazifisch, sondern Herr über Leben und Tod. 1945 gesucht als Kriegsverbrecher, 1947 erschossen. Ungewöhnlich sind die Eheschließungen der Mutter. Sie war eine verheiratete Pollack, hatte aus erster Ehe zwei Kinder, ließ sich wegen Gerhard Bast scheiden, heiratete ihn 1945, der Sohn Martin kam noch innerhalb der ersten Ehe zur Welt, wenige Jahre darauf wurde ihr zweiter Mann tot aufgefunden, danach kam es mit dem ersten Ehemann zu einer weiteren Ehe. Offenbar besaß der Stiefvater genügend Gerechtigkeitssinn, seine erlittene Kränkung nicht am Kind des Rivalen auszulassen. Verwickelte Verhältnisse, die auch in politisch ruhigeren Zeiten leicht zu Verstörungen hätten führen können. Auch seitens des Stiefvaters und der Mutter war das Milieu tiefbraun, wohl etwas weniger stramm ideologisch ausgerichtet als in der Familie des leiblichen Vaters.

Ein Schweigegebot lastete auf dem Kind. Schweigen bezüglich der verwirrenden Vaterwirtschaft, Schweigen bezüglich der Verbrechen, die dem leiblichen Vater zur Last gelegt wurden. Obwohl die Großeltern Bast unversöhnliche Nationalsozialisten blieben und sich nach dem Krieg als himmelschreiende Opfer sahen, hat das Kind Martin an sie gute Erinnerungen. Warum auch nicht – von der Großmutter wurde es verhätschelt, die in ihm einen entzückenden Raufbold sah, der ihrem geliebten Sohn ähnelte; der Großvater nahm ihn auf ausgedehnte Waldwanderungen mit, erzählte spannend von wilden Tieren. Dem Enkel ein milder Schutzpatron, gegenüber Juden weniger mild. Während der NS-Zeit war er mit der Arisierung jüdischer Vermögen befaßt. Martin Pollacks Amstettener Erinnerungen sind in die verwunschene Welt der Kindheit getaucht, in der die Erwachsenen die Garanten dafür sind, daß dem Kind nichts Böses geschieht. Zauberhaft die Szene, wenn wir Großmutter und Enkel in eine Konditorei begleiten, und sich das kleine Freßapparätchen schweigend über ein Eis mit Schlagobers hermacht, während die genügsame Großmutter ihn zärtlich dabei beobachtet. In der Welt kleiner Buben ist das Böse noch nicht spektakulär entwickelt. Auch der Vater war einmal ein ansprechender, unschuldiger Bub. Auf einem Foto von 1913 sieht man einen kleinen Jungen mit halblangem Haar in einem gestreiften Kittel, eine Schürze darüber, in einer Hand hält er einen blühenden Zweig, in der anderen eine Schnur, mit der ein kleines Holzwägelchen nachzieht.

Als sich Martin Pollack entschloß, Slawistik zu studieren, dies gar in Warschau zu tun, kam es zu schweren Zerwürfnissen mit der geliebten Großmutter, die nicht einsehen konnte, wie sich ausgerechnet ihr Enkel der Sprache eines rassisch so minderwertigen Volkes widmen konnte. Nicht nur Polen, auch der gesamte östliche Raum des zerbrochenen Habsburgerreichs sollte zu seinem bevorzugten Studienobjekt werden. Hier sammelte er seine Materialien, darüber schrieb er Bücher und Reportagen. Im Buch über den Vater geht er der Frage nach, weshalb seine Großeltern in derart rabiater Weise der NS-Ideologie anheimfielen, und findet in der slowenischen Grenzregion vielleicht nicht die perfekte Antwort aber doch einige Gründe. In dieser Region wuchs eine deutschfixierte Generation heran, die sich wie eine ritterliche Kampftruppe sah, dazu bestimmt, das Deutschtum zu pflegen und zu verteidigen. Das wurde mit missionarischer Wut und viel Verbitterung vorgetragen. Nach dem Zusammenbruch des Habsburger Reichs gerieten viele Bevölkerungsteile in derart angsterregte und aufgewühlte Stimmungen hinein, daß im auszumerzenden Feind bald nicht nur die Slowenen, sondern alle Slawen, die Juden, die Zigeuner, die Ungarn, die Polen, die Tschechen gesehen wurden.Auch der Großvater war Jurist. Er und sein Sohn traten früh in die NSDAP ein. Sie waren beide Waffennarren, der Großvater ein begeisterter Jäger. Der Vater wurde zu einem sportlichen Alpinisten und Skifahrer, in den Briefen und Kärtchen, die sich erhalten haben, ist der Schnee prima, die Gesellschaft recht lustig und fidel. Kurios, wie eine ganze Generation von acharnierten Ideologen landauf landab die Schneereinheit des Gebirges beschwor, seine saubere Luft pries, weit entfernt von Heeresatmern, Gasmasken und der Zyklon-B-Erstickungsluft. Ehrenhaft sei ihr Sohn gewesen. Daran hielt die Großmutter fest und trichterte es dem Enkel ein. Es kann nicht leicht für ihn gewesen sein, allmählich hinter das Schweigen zu kommen und dem Wort ehrenhaft auf den Grund zu gehen.

Hier sei eine kleine Abschweifung erlaubt. Hält man sich vor Augen, wie verrückt und zerstört die Nachkommen schwer belasteter Nazifamilien oft sind, kann man sich nicht genug darüber wundern, wie klug, wie frei, wie sehr der Gerechtigkeit verpflichtet Martin Pollack daraus hervorgegangen ist. Ich erwähne einige Beispiele, die sich mir besonders eingeprägt haben: Bernward Vesper verschickte mit Hilfe von Gudrun Ensslin in den sechziger Jahren Päckchen nach Israel, darin ein Roman seines Vaters, Will Vesper. Die Juden in Israel sollten beglaubigen, daß sein Vater, der nach dem Krieg Jahr ums Jahr fröhliche Feste mit seinen SS-Kameraden gefeiert hatte, kein NS-Ideologe, sondern ein verdienter Schriftsteller gewesen war. Erinnern wir uns an die falsche Sarah-Schwemme in den sechziger, siebziger Jahren. Unzählige Gudruns, Ingeborgs, Marien, Ulriken hießen plötzlich Sarah, schlüpften in die Namenshaut der jüdischen Opfer, um dem Fluch der eigenen Familien zu entkommen. Ein deutscher Schriftsteller ließ seine NS-Mutter in ein anonymes Grab werfen, weil, Zitat, sie die Massengräber so liebte. Legendär ist im alten Westberlin der Fall eines Lacanianers, eines blonden, hundertfünfzig Kilo schweren Riesenbabys, das aus einer erzbraunen Familie stammte, wie sich nach seinem Tod herausstellte. Er zimmerte sich eine jüdische Familiengeschichte, konstruierte gar eine Nähe zu Sigmund Freund und bezahlte dies teuer mit einem Blutkrebs, der immer dann aufflammte, wenn seine phantasmagorische Jüdischkeit eine Steigerung erfuhr, bis der Krebs ihn schließlich erledigte. Mit dem üblichen Ödipus-Komplex wären all diese Neurotiker spielend fertig geworden, mit den Verbrechen ihrer Vorfahren nicht. Eine Talkshow kann ich nicht vergessen, weil sie mir Schauder über den Rücken jagte: der unbedarfte Johannes Kerner stellte darin die Tochter von Amon Göth vor, jenes KZ-Kommandanten, der durch den Film Schindlers Liste bekannt wurde. Aus einem Totenkopf sprach’s tonlos heraus; die Frau war zum orthodoxen Judentum konvertiert, und zwar unter den geblähten Segeln eines umgedrehten Rassismus, so verrückt, daß es selbst Michel Friedmann, der sonst um keine Antwort verlegen ist, aus Verzweiflung die Sprache verschlug.

Für diese Abschweifung muß ich Martin Pollack um Verzeihung bitten. Hat mich dieses Thema am Wickel, geht’s mit mir auf und davon. Kommen wir zum Kaiser von Amerika, dem jüngsten Buch unseres Geehrten. Auch dieses Werk ist glänzend recherchiert und exzellent geschrieben. Gewiß, uns allen ist bekannt, daß die Auswanderer zwischen 1880 und 1914 ein elendes Leben führten. Im Kaiser von Amerika werden aber schwindelerregende Details ans Licht gehoben, über denen man mitunter ungläubig den Kopf schüttelt. Die Flüchtlinge, viele von ihnen aus bitterarmen galizischen Dörfern, waren allein schon auf ihrer Reise nach Hamburg fürchterlichen Schikanen ausgesetzt. Schlepper, Schiffsagenten, Bauernfänger, Räuber, korrupte Eisenbahn- und Zollbeamte brachten die Leute, die für die Reise oft ihre einzige Kuh verkauft hatten, um ihre letzten Groschen.Ganz und gar unheimlich wird’s, wenn von Maßnahmen die Rede ist, in denen man unschwer die Vorboten dessen erkennen kann, was einige Jahrzehnte später in den Vernichtungslagern tödliche Realität werden sollte. Wegen Ausbruch der Cholera wird ein vollgepfropfter Zug mit Auswanderern mitten auf der Strecke angehalten, die Leute werden herausgetrieben, im babylonischen Sprachgewirre weiß kein Mensch, was los ist, Eltern verlieren ihre Kinder bei dem Gezerre, alles wird in Baracken gepfercht, wo mit höchster Grobheit Desinfektionen durchgeführt werden. Denjenigen, die es bis Ellis Island schafften, erging es nicht viel besser. Mit Knopfhaken wurden ihnen die Augen aufgesperrt, zwecks Untersuchung von Augenkrankheiten; nicht wenige glaubten, jetzt würden ihnen die Augen ausgestochen. Die Auswanderer kommen vom Land, die meisten können weder lesen noch schreiben, viele haben noch nie eine Uhr gesehen. Mit den simpelsten Tricks werden sie übertölpelt. Schiffsagenten, die ihnen oft auch noch falsche Fahrkarten andrehen, machen es beispielsweise so: die gerissenen Kerle lassen einen Wecker klingeln und behaupten, sie hätten gerade nach Hamburg oder Amerika telegraphiert. Zitat: Zuerst erkundigt er sich, ob noch Platz auf dem Schiff sei. Dann wird der Wecker erneut aufgezogen und die Antwort entgegengenommen. Für jedes derartige Telegramm muß der Auswanderer vier bis sechs Gulden berappen. In diesen Schwindeltelegrammen wird gefragt und bestätigt, daß in Amerika ein Stück Land für den Auswanderer zur Verfügung steht, auch der Kaiser von Amerika hat gerade seine gnädige Erlaubnis gegeben und heißt den neuen Untertan in seinem Land willkommen. Brutal ist das Schicksal der Frauen. Wie junge Mädchen geködert und in die Prostitution verschleppt werden, in der viele von ihnen nicht lange überleben, erinnert fatal an die Zustände, als der Eiserne Vorhang fiel und massenhaft junge Frauen unter falschen Versprechungen in den Westen gelockt wurden. Ehrenhafte Stellungen als Köchinnen oder Gesellschafterinnen wurden ihnen damals angeboten, heute lockt man sie als Kindermädchen oder Models. Nur eines ist heute anders: die Drogen, die ihnen eingetrichtert werden, wirken schärfer. Ansonsten ähneln sich die Bedingungen zum Verzweifeln: Sexsklaverei im Kindesalter der rohesten Kategorie, Prügel, Totschlag, zehrende Geschlechtskrankheiten. Steckt man den Kopf in dieses Buch hinein, zieht man ihn angefüllt mit Vergleichen zum heutigen Flüchtlingselend wieder heraus. Die Araber und Nordafrikaner, die derzeit auf Lampedusa anlanden, sind bei uns so wenig willkommen wie damals die Galizier in Hamburg oder sonstwo. Bitte stellen Sie sich für einen Augenblick vor: was, wenn in der Not es nirgendwo auf der Erde ein Händchen gibt, das Ihnen sanft über den Kopf streicht und Sie empfängt.

Martin Pollacks Buch über einen angeblichen Vatermord im Gebirge, die Tiroler Halsmann-Affäre von 1929, schlage ich jetzt aus Zeitnot nicht weiter auf. Nur eines sei dazu gesagt: einfühlsam und höchst anschaulich geschrieben wie alle seine Bücher, ist es gleichzeitig so spannend, daß man’s nur schwer aus der Hand legen kann.Erlauben Sie mir, mit einer kleinen Anekdote zu schließen. Erinnert sei noch einmal an den König der Könige, den Martin Pollack in einem gefahrdunklen, aus früher Zeit herrührenden Märchenton übersetzt hat. Meine Großtante Luise, eine enorm geschäftstüchtige Frau, die einen kleinen Elektrobetrieb besaß, schaffte es, 1954, während des Staatsbesuchs von Haile Selassi in Stuttgart, zehntausend Wärmgeräte für Babyflaschen an dessen Entourage zu verkaufen. Man stelle sich vor, zehntausend Geräte führten die Herren in ihr brutwarmes Land mit, wo man bestimmt alles Mögliche brauchen konnte, bloß keine Babyflaschenwärmer.

Wie Sie sehen, meine Damen und Herren – Slowenen, Galizier, Araber, Afrikaner, Haile Selassi, Tante Luise, Sie, ich, Martin Pollack, wir sind auf geheimen Wegen alle miteinander verbunden. Doch jetzt schauen wir alle auf ihn, schauen voller Verwunderung auf den Mann, der sich so glorreich aus dem Amstettener Freßapparätchen von ehedem herausentwickelt hat!"