Euphorie, gute Geschäfte, rosige Aussichten: Alles Schlagwörter, die das aktuelle Stimmungshoch in vielen Wirtschaftszweigen beschreiben. Nicht so im Buchhandel. Der Aufschwung in Deutschland scheint sich bei den Sortimentsbuchhändlern bislang weder im Befinden noch in den Kassen niederzuschlagen. Das zumindest legt die Konjunkturumfrage nahe, die das Institut für Handelsforschung in Köln zweimal jährlich im Auftrag des Börsenvereins durchführt.
Rund 350 stationäre Buchhändler aller Größenklassen haben sich in den vergangenen Wochen an der Befragung beteiligt – unter anderem mit Angaben zur Umsatzentwicklung im zweiten Halbjahr 2010 und mit Prognosen für den Zeitraum Januar bis Juni 2011. Zwar ist die Umfrage nicht repräsentativ, dennoch erlaubt sie zuverlässige Rückschlüsse auf die derzeitige Situation der Sortimenter.
Verhaltene Stimmung im SortimentMit Blick auf den Verlauf des Jahres 2010, in dem der Umsatz des stationären Buchhandels nach Berechnungen des Branchen-Monitors Buch um 2,8 Prozent unter dem Wert von 2009 lag, verwundert es nicht weiter, dass die Stimmung der Sortimenter verhalten ist.
Das spiegelt sich in der Konjunkturumfrage ganz deutlich wider:
- Nur gut einem Fünftel der Buchhändler gelang es im zweiten Halbjahr 2010, den Barumsatz im Vergleich zum Vorjahr zu steigern.
- Eine starke Verbesserung gaben lediglich 3,5 Prozent der Befragten zu Protokoll.
- Bei knapp einem Drittel der Sortimenter haben sich die Einnahmen nicht verändert.
- Bei der Hälfte, und das stimmt bedenklich, sind die Umsätze zurückgegangen.
- 8,8 Prozent konstatierten sogar stark sinkende Einnahmen. Damit fallen die Ergebnisse zum Teil noch schlechter aus als bei der Konjunkturumfrage zur Jahresmitte 2010 (Börsenblatt 40 / 2010).
Auch die Unterschiede zwischen West und Ost bleiben weiterhin erhalten. Dieses Mal übernimmt jede Region einmal den schwächeren Part. Im Osten hat sich bei 23,3 Prozent der Buchhandlungen die Umsatzsituation verbessert, im Westen waren es 21 Prozent. Anders sieht es bei der Verschlechterung der Einnahmen aus: In den neuen Bundesländern meldeten immerhin 53,5 Prozent der Befragten Umsatzrückgänge, in den alten Bundesländern waren 48,6 Prozent vom Abwärtstrend betroffen.
Nimmt man die Größenklassen unter die Lupe, lassen sich auch hier deutliche Unterschiede erkennen:
- 27 Prozent der Buchhandlungen mit Umsätzen zwischen 500 000 Euro und einer Million Euro melden einen steigenden Barumsatz.
- Mit 23,3 Prozent folgen die Kleinstbuchhandlungen, die bis zu 250 000 Euro pro Jahr in den Kassen haben.
- Den höchsten Anteil der Nennung »stark verbessert« gibt es mit 14,3 Prozent bei der Größenklasse zwischen 2,5 und fünf Millionen Euro (keine Nennung für "verbessert").
Am schlechtesten schnitten die Läden mit Einnahmen zwischen einer und 2,5 Millionen Euro ab. 65 Prozent von ihnen beklagen einen reduzierten Barumsatz. Bei den Kleinstbuchhandlungen sind es lediglich 37,6 Prozent. Die höchste Rate bei der Ausprägung "stark verschlechtert" gab es mit 11,6 Prozent bei den Sortimenten mit Umsätzen zwischen 250 000 Euro und 500 000 Euro.
Rechnungsumsätze mit Ost-West-GefälleMehr Freude bereiteten die Rechnungsumsätze. 26,6 Prozent der Befragten konnten in diesem Punkt zulegen, 3,7 Prozent sogar stark. Bei ca. 40 Prozent ist das Rechnungsgeschäft stabil verlaufen, 34,2 Prozent blicken auf eine Verschlechterung zurück, 6,9 Prozent konstatierten gar einen ausgeprägten Rückgang.
Beim Rechnungsumsatz ist, anders als beim Bargeschäft, ein ausgeprägteres Ost-West-Gefälle zu erkennen. Während es im Westen für 27,5 Prozent der Händler besser lief, war dies im Osten nur bei 22,6 Prozent der Fall. Das umgekehrte Bild am anderen Ende der Skala: 38,1 Prozent der Händler im Osten mussten mit Mindereinnahmen leben, im Westen waren es 33,2 Prozent.
Größter Profiteur beim Rechnungsumsatz ist wie beim Barumsatz die Größenklasse zwischen 500 000 Euro und einer Million Euro. 33,7 Prozent notierten hier ein Plus. Am niedrigsten ist der Wert in der Größenklasse zwischen 250 000 und 500 000 Euro: Hier konnten nur 21,1 Prozent beim Umsatz zulegen. Den größten Einbruch im Rechnungsgeschäft erlebte die oberste Größenklasse mit mehr als fünf Millionen Euro Jahresumsatz: Bei 58,3 Prozent schwächelte diese Einkommensquelle. Am geringsten war der Negativwert mit 28 Prozent in der niedrigsten Größenklasse bis 250 000 Euro Jahresumsatz.
Zurückhaltende KundenDamit es gut läuft im Buchhandel, braucht man nicht nur findige Unternehmer, sondern auch kauf-lustige Kunden. Sie waren ebenfalls Thema der Umfrage. Allerdings kamen die Sortimenter zu dem Schluss, dass die Käufer ihr Geld 2010 lieber beisammengehalten und nicht für Bücher ausgegeben haben. Bei fast der Hälfte der Buchhändler jedenfalls hat sich der Umsatz je Kunde im zweiten Halbjahr nicht verändert. Ein Fünftel spürte mehr Kauflust bei den Konsumenten, aber nur bei 0,5 Prozent hat sich der Umsatz je Kunde erheblich erhöht.
Vermindert beziehungsweise erheblich vermindert hat sich der Wert bei fast 30 Prozent der Befragten. Besonders sparsam waren die Kunden offenbar im Osten: Dort melden nur knapp 18 Prozent der Buchhändler, dass ihre Kunden mehr Geld im Laden gelassen haben, im Westen waren es gut 28 Prozent. Genau umgekehrt sieht es bei der Reduzierung der Ausgaben aus: Im Osten hatten 34,5 Prozent der Buchhändler mit knausrigeren Kunden zu tun, im Westen 28,6 Prozent.
Die Kunden gaben aber nicht nur weniger Geld im Buchhandel aus, sondern machten sich dort auch rarer als im Vorjahreszeitraum. Fast die Hälfte der Umfrageteilnehmer meldet weniger Kunden, 6,8 Prozent sprechen sogar von "erheblich weniger". Eine erhöhte Kundenfrequenz konstatierten 21,5 Prozent der Händler; dass die Kundenanzahl etwa gleichgeblieben ist, sagen ca. 30 Prozent.
Privatkunden und Schulen als zuverlässige KundenDennoch: Die privaten Haushalte stellen diejenigen Kunden, auf die am ehesten Verlass ist. Gut ein Fünftel der Sortimenter hat mit dieser Zielgruppe höhere Einnahmen erwirtschaftet als im Vorjahreszeitraum. Gleiches gilt für die Schulen. Ganz anders sieht es bei den öffentlichen Institutionen und den Firmenkunden aus. Diese Gruppen waren bei 44,2 beziehungsweise 38,7 Prozent für schlechtere Geschäfte verantwortlich.
Gefragt vor allem TaschenbücherPassend zu ihrer Zurückhaltung haben die Kunden im zweiten Halbjahr 2010 vor allem Taschenbücher nachgefragt. Fast 30 Prozent der Buchhändler konnten mit diesen Produkten ein Umsatzplus generieren. Etwa gleichgeblieben sind die Einnahmen bei rund der Hälfte der Sortimenter. Die Hardcover können solche Zuwächse nicht vorweisen – ein Plus stellten hier nur 18 Prozent der Buchhändler fest; ein Minus hingegen fast 35 Prozent.
Bei den einzelnen Warengruppen war das Kinder- und Jugendbuch einmal mehr zuverlässiger Umsatzmotor. Gut ein Viertel der Buchhandlungen hat in diesem Segment zugelegt, etwa gleichbleibende Einnahmen nannten 42 Prozent. Eine spürbare Aufwärtstendenz gab es auch bei den belletristischen Titeln. 23 Prozent der Sortimenter erreichten mit dieser Lektüre Mehrumsatz. Auf eine gleichbleibende Entwicklung blickt etwa die Hälfte zurück.
Neben den gut laufenden Warengruppen gab es auch einige Sorgenkinder. Dazu zählt etwa das Segment Sachbuch, Hobby, Reise, Freizeit: Knapp 40 Prozent der Sortimenter kamen hier auf keinen grünen Zweig und schnitten unter Vorjahr ab.
Non-Books legen zuAls aufstrebende Produktgruppe, die von immer mehr Buchhändlern ins Sortiment genommen wird, erwiesen sich die Non-Books. 36 Prozent der Befragten spielten damit mehr Geld ein als im Vergleichszeitraum, 36 Prozent blicken auf unveränderte Umsätze zurück.
Damit die Geschäfte möglichst bald wieder besser laufen, wollen die Buchhändler einiges tun. Befragt nach den Maßnahmen, die sie ergreifen möchten, führen sie zuvorderst die Veränderung ihrer Sortimentsstruktur an:
- Fast 40 Prozent wollen auf diesem Feld aktiv werden.
- An zweiter Stelle steht die Neugestaltung des Verkaufsraums, die sich ein Drittel vorstellen kann.
- Auf Non-Books als zusätzliche Umsatzbringer setzen 31 Prozent.
Allerdings sehen nicht alle Unternehmer Handlungsbedarf: Ein Fünftel möchte am jetzigen Zustand nichts ändern. Sollte gar nichts mehr gehen, sehen 2,4 Prozent die letzte Chance darin, ihr Geschäft zu schließen. Wer etwas bewegen möchte, kann an verschiedenen Stellschrauben drehen. Optimierungsbedarf sehen die Buchhändler beim Lagerbestand – fast 60 Prozent wollen hier abspecken. Damit einher geht der Vorsatz, das Einkaufsvolumen einzuschränken. Das will mehr als die Hälfte der Sortimenter. Künftig noch mehr beim Barsortiment zu bestellen – das plant nahezu ein Drittel. Entsprechend viele Buchhändler haben vor, ihre Bestellungen bei den Verlagen herunterzufahren (43,2 Prozent).
Online-Auftritt und Veranstaltungen als HeilsbringerSo viel wie nie zuvor versprechen sich die Buchhändler davon, ihren Internet-Auftritt zu optimieren. 55 Prozent wollen im Netz aktiver sein und ihre Multichannel-Strategie ausbauen. Auch an der Werbung soll nicht gespart werden, 28 Prozent wollen sogar mehr ins Marketing investieren. Als gute Maßnahme zur Zukunftssicherung werden auch Veranstaltungen gesehen. Ein Drittel der Buchhändler will das Programmangebot ausbauen.
Auf der Kostenseite scheint es vor allem attraktiv zu sein, den größten Block zu beschneiden: die Personalkosten. Rund ein Fünftel der Sortimenter tendiert dazu, die Anzahl der Mitarbeiter zu reduzieren. Drei Viertel allerdings wollen ihren Personalstand unverändert lassen.
Und die Prognosen für das laufende Halbjahr?Die Erwartungen an das erste Halbjahr 2011 sind – mit den Erfahrungen der vergangenen Monate im Rücken – nicht allzu hoch.
- Ein Viertel geht davon aus, dass die Umsatzkurve nach oben zeigt.
- Nur 2,9 Prozent davon glauben, dass sie einen "sehr guten" Verlauf nimmt.
- Mehr als die Hälfte ist der Ansicht, dass sich die Einnahmen mittelmäßig entwickeln.
- 18,5 Prozent rechnen mit einem schlechten ersten Halbjahr, davon 1,4 Prozent sogar mit einem "sehr schlechten".
Wie die Sortimenter die Umsatzchancen einschätzen, hängt sehr stark von den Größenklassen ab. Am optimistischsten sind die größeren Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Millionen Euro: Hier geht ein Drittel von einer guten Entwicklung aus, 16,7 Prozent sogar von einer sehr guten. Ebenfalls positiv gestimmt: die Größenklasse zwischen 2,5 und fünf Millionen Euro. 28,6 Prozent der Buchhändler setzen auf Mehreinnahmen. Die größten Pessimisten sind bei kleinen Unternehmen zu finden. Ein Fünftel der Geschäfte mit Einnahmen zwischen 250 000 Euro und 500 000 Euro prognostiziert ein Umsatzminus.
Wer recht behält, Optimisten oder Pessimisten – das wird eine der spannenden Fragen in den kommenden Monaten. Wobei natürlich der Sieg der Optimisten wünschenswert ist.
Christina Schulte