Die Entscheidung sei eine "große Genugtuung nach jahrelanger Arbeit", so Dani Landolf, Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands (SBVV) in einer ersten Stellungnahme gegen 9 Uhr. Vor allem die (preisgebundene) Presse in der Schweiz habe das Ringen um ein Buchpreisbindungsgesetz erschwert. Die "Basler Zeitung" überschreibt ihren Online-Bericht über die Abstimmung im Parlament denn auch mit der Überschrift "Ja zur Buchpreisbindung enttäuscht". Dort heißt es außerdem, ein Komitee aus Vertretern der Jungparteien von FDP und SVP sowie Sprecher der Grünliberalen und der Piratenpartei hätten bereits ein Referendum angekündigt.
Wird das Gesetz nicht mehr durch einen Volksentscheid angefochten, schließt die Schweizer Regelung eine Lücke im deutschsprachigen Raum: Auch in Deutschland und Österreich ist die Buchpreisbindung gesetzlich geregelt.
Schon um 8 Uhr und damit deutlich früher als erwartet hatte der Schweizer Ständerat das Preisbindungsgesetz durchgewunken. Mit 23 zu 19 Stimmen fiel das Votum in der kleinen Kammer des Schweizer Parlaments deutlich klarer aus als gedacht. Bei der letzten Debatte am 2. März konnte der weitere Weg für den Gesetzentwurf erst via Stichentscheid des Ständerat-Präsidenten freigemacht werden. Der Ständerat wollte den Internet-Buchhandel eigentlich von der Preisbindung ausnehmen, war dann aber im so genannten Differenzbereinigungsverfahren mit dem Nationalrat wieder von dem Vorhaben abgerückt - in letzter Minute und mit denkbar knappem Abstimmungsergebnis.
Diskutiert wurde heute in beiden Kammern des Parlaments nur kurz: Während die Gegner des Gesetzes die Preisbindung im Zeitalter des Internethandels als "Anachronismus" bezeichneten, als "Kartell, das nicht im Sinne der Konsumenten" sei, machten die Befürworter noch einmal deutlich, dass die Bücherpreise in einem preisbindungsfreien Land wie Großbritannien keineswegs gefallen, sondern sogar gestiegen seien. "Wer ein vielfältiges Kulturangebot in allen Landesteilen erhalten will, stimmt heute mit Ja", so Hildegard Fässler-Osterwalder, Nationalrätin im Kanton St. Gallen. Der Nationalrat winkte das Gesetz mit 96 Ja- und 86 Nein-Stimmen durch, bei 5 Enthaltungen.
Mit der Entscheidung der Parlamentarier geht ein jahrelanger Gesetzgebungskrimi in der Schweiz zu Ende. Das Preisbindungsgesetz tritt zum 1. Januar 2012 in Kraft - und dürfte damit Ruhe in einen Markt bringen, der vor allem in den vergangenen Monaten durch einen deutlichen Preiskampf im Internet und massive Probleme durch den schwachen Euro-Kurs geprägt wurde.
Die Chronik des Schweizer Preisbindungskrimis:
1999
Die Wettbewerbskommission der Schweiz stellt in einer Verfügung fest, der Sammelrevers für den Verkauf preisgebundener Verlagserzeugnisse in der Schweiz bilde eine unzulässige Wettbewerbsabrede im Sinne des Kartellgesetzes von 1995.
2001
Auf eine Beschwerde des SBVV hin bestätigt die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen diese Verfügung. SBVV und Börsenverein ziehen vors Bundesgericht.
2002
Das Bundesgericht hebt den Entscheid der Rekurskommission wieder auf und verweist die Sache an die Wettbewerbskommission zurück. Der Auftrag: zu prüfen, ob sich die monierte Wettbewerbsbeinträchtigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lasse.
Mai 2004
Nationalratsmitglied Jean-Philippe Maitre reicht eine parlamentarische Initiative ein, die sich für gesetzliche Grundlagen rund um die Regulierung der Buchpreise in der Schweiz einsetzt.
2005
Die Wettbewerbskommission verfügt erneut, der Sammelrevers sei unzulässig.
2006
Die Rekurskommission bestätigt die Entscheidung abermals. SBVV und Börsenverein ziehen ein zweites Mal vors Bundesgericht. Ihre Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
2007
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Branchenverbände ab, die ein Ausnahmegesuch beim Bundesrat stellt. Parallel dazu läuft im Nationalrat das Gesetzgebungsverfahren für ein Preisbindungsgesetz. Der Schweizer Bundesrat verweigert die Ausnahmeregelung. Eine Entscheidung, die Verleger Egon Ammann damals als "kulturpolitisches Desaster" bezeichnet. Große Buchhandlungen starten prompt Rabattaktionen.
Mai 2008
Ein Jahr nach dem Fall der Preisbindung lädt der Schweizer Buchhändler und Verleger-Verband SBVV zum Preisbindungssymposium "Vielfalt statt Einfalt" ein - und verabschiedet eine Charta, in der es heißt: "Eine vielfältige und lebendige Buchkultur kann nicht dem Markt allein überlassen werden".
September 2008
Die Migros-Tochter ExLibris erhöht ihre Rabatte von 15 auf 30 Prozent - und kündigt an, ihr Online-Geschäft nach Deutschland zu verlegen, falls die Buchpreisbindung wieder eingeführt werden sollte.
November 2008
Vor dem Hintergrund der Initiative Maitre wird der Vorentwurf für ein Preisbindungsgesetz veröffentlicht. Zu jenem Zeitpunkt ist SBVV-Geschäftsführer Dani Landolf noch zuversichtlich, dass ein Gesetz im Frühjahr 2010 in Kraft treten könnte.
Oktober 2009
Anders als das Pendant des Nationalrats beschließt die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats, nicht auf das Gesetz einzutreten - und blockiert damit das Gesetzgebungsverfahren. Ein zähes Ringen durch die Instanzen beginnt, bei dem Ständerat und Nationalrat den Ball immer hin- und herspielen.