Der Landesverband Nordrhein-Westfalen hat seit 1999 ein knappes Viertel seiner Buchhandlungen als Mitglieder verloren. Die »Verbreitung des Buches« wird immer weniger von unabhängigen, familiengeprägten Einzelbuchhandlungen betrieben. Das heißt allerdings nicht automatisch, dass ein Leser geringere Chancen hat, an gewünschte Bücher zu kommen.
Mit Eifer ist das Land von gleichförmigen Filialen überzogen worden. Sie bieten Lesern die Gewissheit, dass ihre Wünsche überall gleichartig, event- und kommerzoptimiert im Package mit Non-Books erfüllt werden. Der Online-Handel bietet die Erfüllung ausgefallener Wünsche ohne Ladenöffnungszeiten, die Belieferung mit vergriffenen Titeln und den Diskurs mit fachkundigen Konsumenten. Darum muss selbst die deutsche Provinz nicht über Versorgungsmängel klagen, wenn im tiefen Ostwestfalen eine traditionsreiche Buchhandlung schließt. Bei so viel kommerziellem Erfolg der Großen und Starken bleibt die bisherige Kultur auf der Strecke und mit ihr das Bild, vertraut seit man denken kann.
Wer möchte das denn ändern? Sind es Vermieter, die einen Buchhandel im Haus als Bereicherung des Stadtzentrums so sehr wertschätzen, dass nur eine sozialverträgliche Miete gezahlt werden muss? Könnten Verlage Retter des Buchhandels sein, wenn sie den Begriff der »auskömmlichen Konditionen« für Einzelunternehmen im Buchhandel nicht so weit aushöhlen, dass der einsame Einzelhändler im Wettbewerb um Flächen und Personal aufgibt? Könnten nicht Filialisten und Online-Händler freiwillig auf Marge verzichten und die Verlage weniger knebeln, damit noch was für die einzelkämpfenden Buchhandlungen übrig bleibt?
Oder gibt es vielleicht eine Chance, wenn »Personal« auf die Hälfte der tarifvertraglichen Urlaubstage verzichtet und Überstunden zwischen 18 und 20 Uhr ohne Bezahlung leistet? Könnte es der Börsenverein sein, der sich auf buchhändlerische Einzelunternehmen konzentriert und dort seine Ausbildungsbemühungen verstärkt, damit es im Buchhandel mehr Verkäufer gibt, die anders als der Online-Handel begeistern und begeistert sind? Oder muss in den Gremien endlich die Auskömmlichkeit definiert werden?
Letztlich könnte man hier natürlich auch nach dem Staat rufen, der neben der so freundlich gedachten Preisbindung eine Lesepflicht normieren und eine Buchabgabe einführen könnte, der man durch Vorlage eindeutiger Quittungen ebenso einschlägig zertifizierter Buchhandlungen ausweichen darf. Der Sortimenter muss sich wohl darauf besinnen, dass er Händler ist. Das ist von Vorteil, weil er keine Maschinen hat, die ihn auf ein Produkt festlegen. Das ist von Nachteil, weil er als erster und am eigenen Leib erfährt, wenn sich der Markt wandelt und der traditionelle Kunde abwendet, vom Buchhändler oder Optiker, Lebensmittel- und Autohändler.
Der Händler muss die Stärke haben, zu erleben, dass der Kunde seinen Nutzen täglich neu bestimmt. Ein Händler ohne Kundennutzen nützt nichts: Weder dem Kunden als Käufer, noch einem Verlag, dessen Geschäft nicht aus Subsidien für Händler besteht und schon gar nicht dem Vermieter, der einen angemessenen Mietzins erwartet. Am wenigsten aber nützt der Händler ohne Kundennutzen sich selbst. Er verpasst die Chance im Buchhandel-Wandel: Alles neu zu denken und zu gestalten, als Unternehmer mit allen Risiken.