Einmal im Jahr machen sich die Kinderbuchverlage auf den Weg nach Bologna, zur internationalen Jugendbuchmesse. Nach Italien ... sogleich gerät man ins Schwärmen. Es gibt kaum eine Messe, auf die sich so viele Verlagsmitarbeiter, Illustratoren, Autoren und Agenten freuen - wenn man einmal davon absieht, dass die Anreise oft mit Tücken verbunden ist. Der eine oder andere wartet nämlich gern mal im Flughafen an der Gepäckausgabe, hoffnungsvoll, aber vergeblich. Man nimmt’s gelassen, schließlich ist man in Bologna und freut sich auf die vielen Begegnungen in den nächsten Tagen.
Es gibt über das Jahr verteilt zahlreiche Buchmessen: Frankfurt, Leipzig, London etc., aber Bologna ist einfach anders. Nicht besser, aber irgendwie besonders. Liegt es am mediterranen Klima, dem guten Essen, der schönen Stadt? Das Umfeld sollte man nicht unterschätzen, denn es trägt mit Sicherheit dazu bei, dass die Atmosphäre auf der Buchmesse entspannt und gelöst ist. Und das erfährt man nur selten auf Messen. Auf der Frankfurter Buchmesse etwa sind die Kollegen viel gestresster von Halle 3 bis Halle 8 unterwegs, sodass sie kaum Zeit zum Austausch oder für einen kurzen Plausch finden. Man sieht sich im Vorübergehen, wenn überhaupt. Der Termindruck ist groß. Die Verlage präsentieren sich viel offensiver. Die Konkurrenz ist spürbarer.
In Bologna hingegen fängt die Messe für die deutschen Kinderbuchverlage mit dem avj-Empfang an. Hier trifft sich die Jugendbuchszene, ist neugierig, tauscht sich freimütig aus. Offen. Dieses erste Come-together ist der Startschuss für die kommenden guten Gespräche. Wohin man schaut, werden die Fäden für Netzwerke gesponnen. Meist endet der Abend mit einer spontanen Verabredung unter Kollegen.
Die Messetage sind zwar von übervollen Terminkalendern bestimmt, aber dennoch findet sich irgendwie immer eine Lücke, um sich auszutauschen. Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, Kinderbuchkollegen, neue Illustratoren-Talente, Presseleute und Agenten in so geballter Form zu treffen? Nur hier. Denn die Wege in Halle 30 sind deutlich kürzer, das Agentencenter viel übersichtlicher als zum Beispiel in Frankfurt.
Es wird über kommende Bücher gesprochen, anstehende Vertreterkonferenzen, Wetter (im Idealfall nimmt man seinen Termin mit in die Sonne), die verlorenen Koffer, Sorgen, Ängste, Erfolge ... auch darüber, wo man sich abends trifft. Und beim Abendessen wird weiter über Kinderbücher gesprochen - es sind weder angestrengte noch bemühte, sondern meist sehr anregende und motivierende Gespräche. Wettbewerbsgedanken spielen da eine eher untergeordnete Rolle. Man betrachtet die anderen Verlage vielmehr mit großer Neugier und Respekt.
Wie kann das sein? Es sind doch alle mit dem gleichen Auftrag unterwegs, nämlich DAS besondere Kinderbuch mit der größtmöglichen Aufmerksamkeit zu finden. Nur deshalb werden schließlich vorab Scouts in aller Welt herumgeschickt, um Manuskripte zu sichten etc. ... Wahrscheinlich liegt es an dem mediterranen Savoir-vivre und der positiven Grundhaltung: Alle sind sichtbar entspannter, lassen vieles einfach auf sich zukommen, sind weniger gehetzt und saugen alle Eindrücke wie ein Schwamm auf. Das ist der Genius Loci von Bologna. Davon kann man dann das ganze Jahr zehren ... noch 341 Tage!