Marktforschung

Was Kunden (ver)treibt

6. Juli 2011
Redaktion Börsenblatt
Vertrauen spielt in der Wirtschaft eine entscheidende Rolle – ist aber auch schnell verspielt. Was sich dagegen tun lässt? Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat sich das Problemfeld jetzt etwas genauer angesehen und präsentierte bei einer Tagung jetzt erste Ergebnisse.
Das Thema hat Hochkonjunktur. Über Vertrauen wird allerorten und in vielen Zusammenhängen diskutiert – besonders in der Wirtschaft, und zwar vor allem dann, wenn Kundenbeziehungen unter Druck geraten, die Reputation Kratzer bekommt, Umsätze sinken. Das Fatale daran: Einmal verspieltes Vertrauen lässt sich nur schwer zurückgewinnen.

Richard David Precht, Philosoph und Autor, kennt sich in dieser Problemzone aus. Vergangene Woche hielt er auf Einladung des Vereins der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg vor rund 500 Marketingexperten einen Vortrag über die philosophischen Dimensionen des Begriffs. Darüber, warum Menschen überhaupt fähig sind, anderen zu vertrauen – was sie dabei antreibt, wann sie sich abwenden, ob und wie sich dieses Gefühl bewusst steuern lässt.

Menschen vertrauen laut Precht zum Beispiel darauf, dass sie niemand absichtlich in Lebensgefahr bringt, dass sich andere Gedanken darüber machen, was man selbst erwartet – und sich Mühe geben, diesen Erwartungen auch zu entsprechen. Anders gesagt: Sie setzen das unbewusst voraus.     

Der Wunsch nach Anerkennung


Die von dem britischen Biologen Richard Dawkins postulierte Theorie, alles, was Menschen tun oder lassen, erkläre sich durch die Existenz eines „Egoistischen Gens“, hält Precht für falsch. Und er hält auch wenig von der These, der Mensch sei stets nur daran interessiert, seinen Nutzen zu maximieren – auf der Basis rein rationaler Überlegungen. Der ökonomische Nutzen stehe nicht an erster Stelle, so Precht, „Geld ist immer nur Mittel zum Zweck“. Die eigentliche Triebkraft, also der eigentliche Zweck menschlichen Handelns, bestehe in etwas anderem: dem Wunsch nach Anerkennung, Respekt, Zuneigung, Liebe.

Übertragen auf die Vertrauenskultur im Marketing bedeute das: „Wir bringen jenen Menschen oder Produkten am meisten entgegen und entscheiden uns für jene, bei denen wir unterstellen, dass sie das höchste Maß an sicherer Anerkennung für uns bringen.“ Denn Menschen seien eines am wenigsten gern: die Dummen.

Daraus zu folgern, dass es bereits genügt, seine Kunden ernst zu nehmen und wertschätzend zu behandeln, wäre allerdings zu kurz gedacht. Precht sprach von „hochkomplexen Prozessen"; sie zu durchschauen und neues Vertrauen zu schaffen, sei „eine der größten Herausforderungen der Zeit“.

Sympathie ist nicht alles

Die Marktforscher von der GfK unterschreiben das sicher gern. Sie haben diese Herausforderungen en detail untersucht und präsentierten nun bei der Nürnberger Tagung (Titel: "Vorsprung durch Vertrauen") ihre Ergebnisse. Bücher und die Buchbranche blieben zwar außen vor, doch zumindest einiges von dem, was sie etwa für den Finanzmarkt oder die Automobilindustrie feststellten, lässt sich durchaus generalisieren:

  • Eine sympathische Marke muss noch lange nicht erfolgreich sein. „Sympathie reicht für ein kurzes Abenteuer, aber ohne den Aufbau von Vertrauen wird daraus keine feste und dauerhafte Markenbeziehung“, so Marktforscher Oliver Hupp. Andererseits: Vertrauen entstehe nur, wenn die Marke auch als sympathisch empfunden werde.
  • Je stärker die Beziehung zu einer Marke ist, umso eher sind Käufer laut Hupp dazu bereit, in sie zu investieren: Sie kauften die Marke häufiger und seien weniger preissensibel. Marken, die bei den Deutschen besonders großes Vertrauen genießen würden, seien Lufthansa, Nivea und Persil.
  • Am stärksten sind Beziehungen, wenn sich Konsumenten einer Marke so verbunden fühlen wie ihrem Ehepartner, ihren  Geschwistern und besten / alten Freunden.
  • Soft Skills wie Verlässlichkeit und Kundenorientierung sind aus Sicht der GfK die wichtigsten Treiber für das Markenvertrauen.
  • Vertrauen kann durch Marketing gesteuert werden. Wichtig dafür sei aber zunächst, die Vielfalt der möglichen Beziehungen, die Menschen mit einer Marke verbinden, zu identifizieren, so Hupp.


Kurze Affäre oder guter alter Freund?

Die GfK hat ein Instrument dafür entwickelt – den Markenbeziehungsraum (siehe Grafik). Was sich bei einer Befragung unter anderem zeigte: Apple und Harley Davidson fühlen sich Konsumenten so nah wie ihrem Ehepartner, Porsche gilt als angebeteter Star, BMW als langjähriger Freund.

Der Weg dahin ist allerdings weit: Damit, zum Beispiel, aus einer „kurzen Affäre“ (schwache Markenbindung) ein „guter alter Freund“ (starke Bindung) wird, sollten Unternehmen ihr Marketing auf Sympathie ausrichten, rät Hupp. Beschrieben Konsumenten ein Produkt aber als „früheren Freund“, empfehle sich, auf Vertrauen zu fokussieren. Fünf Faktoren hat die GfK dafür ausgemacht – angefangen beim Produkt bis zur Werbung.
   
Bei Konsumgütern lässt sich das der GfK zufolge erreichen, indem sich das Marketing konzentriert auf das Produkt („Hat bessere Qualität; das Unternehmen bringt mehr interessante Produkte auf den Markt“) und die Distribution („Das Produkt wird von einem Händler meines Vertrauens angeboten“). Weitere Faktoren, mit denen sich Vertrauen steuern lässt: Testberichte, Empfehlungen und Werbung.

Der Buchhandel hat in Sachen Vertrauen und Kundenbindung seine eigenen Rezepte entwickelt, wie eine Stichprobe zeigt. Im Fokus stehen, ganz im Einklang mit Richard David Precht, Anerkennung und Respekt (siehe Umfrage).