Die Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur hatte im April dieses Jahres mit dem Gesamtkonzept erstmals den Versuch unternommen, eine umfassende Strategie zum Umgang mit wissenschaftlichen Informationen und Daten zu erarbeiten. Allerdings sind wichtige Beteiligte wie z.B. wissenschaftliche Gesellschaften, Hochschulverband, Wissenschaftsverlage und Bibliothekslieferanten nicht oder nicht ausreichend in diesen Prozess eingebunden worden. Das Fehlen des Wissens und der Beiträge dieser Gruppen hat zu deutlichen Defiziten bei den Ergebnissen des KII-Prozesses geführt, kritisiert der Börsenverein. Er ist davon überzeugt, dass durch eine Umsetzung der Ergebnisse des KII-Papiers die Chancen Deutschlands eher verschlechtert als verbessert würden, im internationalen Wettbewerb weiterhin eine bedeutende Rolle als Forschungsstandort zu spielen. Die Kritik richtet sich insbesondere auf die Handlungsfelder Lizenzierung und Open Access.
Zentrale Kritikpunkte am KII-Papier sind:
- Die Verfasser des Papiers verkennen, dass eine Informationsinfrastruktur effizienter funktioniert, wenn Aufgaben von im Wettbewerb miteinander stehenden privatwirtschaftlichen Dienstleistern wie Verlagen und Bibliothekslieferanten übernommen werden statt von der öffentlichen Hand.
- Die zum Handlungsfeld Lizenzierung entworfene Strategie lässt wesentliche Marktgegebenheiten und Managementprozesse in der sehr ausdifferenzierten und leistungsfähigen Bibliothekslandschaft in Deutschland unberücksichtigt. Es wird nicht hinterfragt, ob ein Ausbau der Nationallizenzen bzw. Allianzlizenzen für die öffentliche Hand tatsächlich ohne weiteres zu einem verbesserten Preis-Leistungsverhältnis und effizienteren Strukturen führt.
- Eine nationale Lizenzierung stellt Verlage, die deutschsprachige Wissenschaftszeitschriften veröffentlichen, vor erhebliche Probleme. Es besteht die Gefahr, dass durch die Abhängigkeit von einem einzigen Nachfrager - dem Nationallizenznehmer – eine nachhaltige Bewirtschaftung von renommierten und für die Forschung wichtigen Zeitschriften nicht mehr möglich ist.
- Die im KII-Papier geforderten erweiterten und durchsetzungsstarken Urheberrechtsschranken für den Bereich Wissenschaft und Bildung würden dem Wissenschaftsstandort Deutschlands nicht nutzen, sondern schaden.
- Beim Handlungsfeld Open Access sieht der Börsenverein das Risiko einer Fehleinschätzung der mit einem Paradigmenwechsel bei der wissenschaftlichen Literaturversorgung auf die öffentliche Hand zukommenden Finanzierungslast. Bevor bewährte und nachhaltige Strukturen zerschlagen werden, sollte erst geprüft werden, inwieweit und an welchen Stellen ein Umstieg in Open Access-Publikationen wirklich realistisch ist.