Buchmesse-Veranstaltungen

Maßarbeit am Text

13. Oktober 2011
Redaktion Börsenblatt
Wenn in der improvisierten „Robert Johnson Bar“ Coctails kredenzt werden, die schon mal „Zeit ohne Ende“ heißen, will keiner nach Hause. Mit einer tollen Ausstellung unter dem Titel „Double Intensity“ würdigt das Museum für Angewandte Kunst Frankfurt (MAK) das 30jährige Bestehen des Verlags Brinkmann & Bose.
„Wer ins Museum kommt, der ist doch tot?“ Die Befürchtung Erich Brinkmanns, der vor 30 Jahren zusammen mit seinem Freiburger Kommilitonen Günter Karl Bose in Berlin einen Verlag gründete, der heute als Meilenstein in der Kombination von herausragender Typografie und kulturell prägenden Texten gilt, darf als komplett unbegründet betrachtet werden. Im Gegenteil: Brinkmann & Bose (der, nachdem sich Günter Bose seit 1995 auf seine Typo-Professur in Leipzig konzentriert, durch die Zusammenarbeit zwischen Erich Brinkmann und Rike Felka geprägt wird) ist höchst lebendig.

Die Ausstellung im MAK sperrt die Bücher nicht nur in Vitrinen, sondern lässt die Besucher tasten, fühlen, riechen, lädt zu Entdeckungen ein. Respekt vor klassischen Buchtraditionen: ja! Aber jenseits bibliophiler Bütten-Seligkeit – da gibt es schon mal Buchumschläge aus Schmirgelpapier oder in Ochsenblut getränktes Einbandmaterial. Und dazu, logisch, nur das Feinste aus Literatur, Philosophie, Kunst, Film, Psychoanalyse oder Mathematik – von Derrida über Tschichold bis zu Friedrich Kittlers „Aufschreibsysteme der Moderne“.  

Luzia Braun, Moderatorin des ZDF-Kulturmagazins „aspekte“ und langjährige Freundin von Erich Brinkmann, würdigte die Leistung der beiden Typo-Gurus und Experimenteure in sehr persönlichen Worten. Und wer am kommenden Buchmesse-Sonntag auf den „Tatort“ verzichtet, kann im MAK zudem Klaus Theweleits Vorträg „Tätowierte Bücher“ erleben. Am Messestand von Brinkmann & Bose (Halle 4.1, F 148) lässt sich die Ausstellung virtuell besuchen – mit einem Katalog, der alle Bücher der letzten 30 Jahre dokumentiert; Verlagsgeschichte und Theoriegeschichte in einem. Im MAK feierte die Holzbuchfraktion gestern Abend ganz praktisch, mit Witz, Selbstironie und 16 Jahre altem Lagavulin. Vielleicht nicht wirklich, wie annonciert, „Das beste Fest zur Buchmesse“. Aber Maßarbeit auch an der Bar.