Auch in diesem Jahr war rund um die Frankfurter Buchmesse aus den Vertriebsabteilungen der Verlage das übliche Gemurre über den kleinen und mittleren Buchhandel zu hören, diesmal aber mit solchem Nachdruck, dass ich als Inhaberin einer unabhängigen Buchhandlung gern ein paar Bemerkungen dazu machen möchte.
Der erste Vorwurf lautet: Die unabhängigen Buchhandlungen sind gar nicht so individuell, wie sie gern glauben, überall findet man das gleiche Sortiment, weil niemand den Mut hat, eigene Wege zu gehen und sich die Mühe macht, ein wirklich individuelles Programm zusammenzustellen.
Der zweite Vorwurf: Die unabhängigen Buchhandlungen ziehen bei den Kampagnen der Verlage nicht mit, verweigern sich deren Marketingstrategien und kaufen die Stapeltitel nicht in dem Umfang ein, wie es vom Verlag gewünscht wird.
Der Widerspruch zwischen beiden Punkten ist offensichtlich: Sollen wir Buchhändler nun individuell und kundenbezogen agieren und entsprechend unser Sortiment zusammenstellen, oder würden die Vertriebs- und Marketingleiter es lieber sehen, wenn wir unsere Buchhandlungen mit ihren Kampagnentiteln und Werbemitteln zustellen und für 16 Verlagskampagnen gleichzeitig Werbung machen? Beides zusammen ist leider nicht möglich.
Was die angebliche mangelhafte »Kampagnenfähigkeit« des Buchhandels betrifft: Verlage konzipieren Kampagnen in erster Linie für den Endkunden, die Buchhändler aber sollen diese präsentieren und bezahlen. Daher rührt meine mäßige Begeisterung, wann immer ein neuer angeblicher »Spitzentitel« mit viel Brimborium erscheint.
Was wir im unabhängigen Sortiment viel eher und dringender brauchen, sind individuelle und maßgeschneiderte Werbemittel für unsere Buchhandlungen. Wir sind angewiesen auf kompetente Verlagsvertreter und Vertriebsabteilungen, die uns bei unserem lokalen Marketing helfen und unterstützen, finanziell und logistisch: bei Initiativen wie der »Lesetüte«, dem »Lesekoffer«, bei Kundenveranstaltungen und Autorenlesungen, bei Flyern, Anzeigen. Kreieren Sie mit uns pfiffige Plakate, erstellen Sie für die unabhängigen Buchhandlungen eigene Vorschauen mit echten Inhalten und nicht mit vier, sechs oder acht Seiten pro Titel (damit auch der Letzte merkt, dass es sich um einen wichtigen Titel handelt). Weisen Sie uns auf tolle Autoren hin, mit denen man etwa eine Kriminacht organisieren kann, verweisen Sie in Ihrer Publikumswerbung automatisch auch auf kleinere Lesungsorte, senden Sie uns intelligente Trailer oder Gewinnspielangebote für unsere Internetseiten.
Liebe Vertriebsleiter, Key Accounter, Verleger, unternehmen Sie mal eine längere Reise durch die Buchhandelslandschaft und lernen Sie individuelle und wirtschaftlich erfolgreiche Sortimente kennen: Allein in meiner Erfa-Gruppe treffen Sie auf acht tolle Buchhandlungen, die sich in der Präsentation der Ware und der Sortimentsauswahl sehr wohl unterscheiden, auf gute Stapeltitel nie verzichten, reichlich Bücher lesen und sich trotzdem das Recht vorbehalten, beim Einkauf auch mal einen vermeintlichen »Spitzentitel« wegzulassen.
Wir brauchen Verlage, die besondere Titel für uns herausfiltern, Vertreter, die kompetent und glaubwürdig beraten und verkaufen können, und gut ausgebildete, engagierte Buchhändler, die sich nicht verunsichern lassen und mit Begeisterung weiter ihre Geschäfte führen. Und als Sahnehäubchen obenauf: ein tolles Buchmarketing, das diese Leistungen der gesamten Branche attraktiv und glaubwürdig unterstützt.