Amazon

Investitionen nagen am Gewinn

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Amazon will wachsen, getreu der Devise: mehr Produkte, mehr Kunden, mehr Umsatz. Doch die Expansion kostet – im Weihnachtsquartal 2011 blieb dem US-Konzern unterm Strich nur noch ein vergleichsweise magerer Gewinn übrig.

Der US-Konzern verdiente von Oktober bis Dezember 2011 nach 
eigenen Angaben 177 Millionen US-Dollar (ca. 136 Millionen Euro) – 58 Prozent weniger als im vierten Quartal des Vorjahres. Für das erste Quartal 2012 rechnet Amazon mit weiteren Gewinnverlusten. Dabei ist der Umsatz im Weihnachtsgeschäft des vergangenen Jahres um satte 35 Prozent auf knapp 17,4 Milliarden US-Dollar (ca. 13,4 Milliarden Euro) gestiegen. 

Wie das Jahr 2011 insgesamt gelaufen ist – in Zahlen  

Die Bilanz für das gesamte Jahr 2011 kann sich, zumindest mit Blick auf die Umsatzentwicklung, dennoch sehen lassen: Amazon hat rund 48 Milliarden US-Dollar (ca. 36,7 Milliarden Euro) erwirtschaftet. Macht ein Plus von 41 Prozent (2010: 34,2 Milliarden US-Dollar).

Wie viel davon über Dritte – also den Amazon Marketplace – reinkommt, lässt Amazon offen. Sicher ist: Der Anteil, den Amazon mit diesen Dienstleistungen einnimmt, wächst. CEO Jeff Bezos zufolge stammen 36 Prozent aller via Amazon verkauften Waren von Fremdanbietern.

Und nun zum Aber: Der Gewinn rutschte in den Keller; die Bilanz vermerkt ein "Net Income" von 631 Millionen US-Dollar (ca. 483 Millionen Euro) – 45 Prozent weniger als 2010 (1,1 Millarden US-Dollar).   

In Nordamerika (USA, Kanada) setzt Amazon nach wie vor am meisten um. Konkret, übers Jahr: 26,7 Milliarden US-Dollar (ca. 20,4 Milliarden Euro; plus 43 Prozent). Die internationalen Aktivitäten brachten Amazon 21,4 Milliarden US-Dollar ein (ca. 16,4 Milliarden Euro; plus 38 Prozent). Was dabei auffällt: Medien verlieren im Sortimentsmix von Amazon an Gewicht: Noch gut ein Drittel des Umsatzes (37 Prozent) entfällt auf dieses Segment – im Vorjahr lag die Quote bei 43 Prozent. 

Warum der Gewinn schrumpft

Zu sagen, 2011 sei für Amazon ein ereignisreiches Jahr gewesen, wäre sicher  untertrieben. Nur mal ein paar Beispiele, wo und für was der Konzern seit Anfang vergangenes Jahres Geld ausgegeben hat:

  • Amazon gründet Imprint auf Imprint – heuert mit Larry Kirshbaum für die Verlagssparte Amazon Publishing sogar einen ausgewiesenen Profi an. Bislang gibt es sieben Amazon-Verlage, einer davon (Amazon Crossing) veröffentlicht auch Übersetzungen aus Deutschland (etwa Titel von Dora Heldt, dtv).     
  • Mit seinen Shopping Apps lädt Amazon US-Verbraucher zum Preisvergleich ein – woraus ein bizarres Phänomen resultierte: das so genannte Showrooming (das meint: Beim stationären Buchhändler schauen sich Kunden lediglich um, kaufen dann aber bei Amazon – nachdem sie mobil per App die Preise verglichen haben.)  
  • Das Kindle-Vertriebsnetz wird ausgedehnt. 2011 fällt der Startschuss in Italien und Spanien – und bekanntermaßen auch in Deutschland (Ende April 2011).  Außerdem entwickelt Amazon einen eigenen Tablet-PC: den Kindle Fire. Analysten zufolge sollen bereits sechs Millionen Kindle Fire verkauft worden sein. Das Tablet sei inzwischen das am meisten verkaufte Android-Tablet, heißt es in Presseberichten. Nach wie vor hält sich in der Branche der hartnäckige Verdacht, dass Amazon seine Lesegeräte quersubventioniere. 
  • Die Zahl der Mitarbeiter (inklusive aller Saisonkräfte) hat um 67 Prozent zugelegt – im vierten Quartal 2010 beschäftigte Amazon rund um den Globus 33.700 Mitarbeiter, ein Jahr später 56.200.  
  • Weltweit entstehen immer neue Logistikzentren. Amazon will künftig schneller bei seinen Kunden sein – möglichst noch am Bestelltag. In Deutschland lässt der Online-Händler von seinem Partner Goodman gerade im Eiltempo die Logistikzentren sieben und acht hochziehen, in Koblenz und Pforzheim (je ca. 110.000 Quadratmeter).

 

Wie sich die Städte für Amazon stark machen – ein Beispiel

Für Pforzheim war der vergangene Freitag ein denkwürdiger Tag. Bei einer eigens dafür einberufenen Pressekonferenz, stellten Amazon und Stadt die Pläne für das Logistikzentrum vor – und machten sich, boersenblatt.net war dabei, gegenseitig haufenweise Komplimente (über ihre Professionalität). Amazons Investor Goodman war nicht erschienen.

Zunächst die Fakten: Im Industriegebiet Buchbusch hat Goodman ein 17 Hektar großes Gebiet erworben, das Amazon wie üblich anmietet. Dort sollen noch im dritten Quartal dieses Jahres die ersten Bestellungen vom Band laufen. Beginn der Verhandlungen war am 10. August des letzten Jahres gewesen, ein Bauantrag wurde bereits im Dezember gestellt.

Wie viele (finanzielle) Anreize von Seiten der Stadt nötig waren, um den Zuschlag zu bekommen, darüber war bei dem Termin nur wenig zu erfahren, auch nicht, wie bei Amazon üblich, auf Nachfrage. Stattdessen wurden die Pressevertreter freundlich gebeten, die Kontakthinweise für die Bewerberhotline in ihrem Bericht abzudrucken; Jobcenter und Arbeitsagentur sowie Vertreter aus den angrenzenden Gemeinden wollen die Flut von voraussichtlich 10.000 Bewerbungen mit einer Taskforce bewältigen – Amazon kann sich auf die Auswahl der Vorarbeiter konzentrieren.

Klar ist also, dass die Stadt und die Nachbarkommunen bei der Erschließung des Gewerbegebietes, bei der Anbindung an das Busliniennetz und beim Recruiting mehr als entgegenkommend sind – Amazon will mehr als 1.000 Arbeitsplätze in drei Jahren schaffen, hinzu sollen für das Weihnachtsgeschäft bis zu 2.000 Saisonarbeiter kommen. Auch in den beiden neuen Standorten werden sogenannte "Testarbeiter" beschäfigt, die statt Lohn weiterhin "Hartz IV" erhalten. Wie viele Testarbeiter beschäftigt werden, dazu gab es auch auf Nachfrage keine Aussage.

„Eine Berufsausbildung ist für die Tätigkeit nicht nötig“, erklärte Cossmann – es handele sich entweder um Packer- oder Kommissionierungssarbeiten (im Niedriglohnsegment). Für die Goldschmiedestadt mit den hohen Arbeitslosenzahlen ein Segen – kann sie nun mit hohen Gewerbesteuereinnahmen und weniger Sozialausgaben planen. 

Dass es auf dieser Linie weitergeht, dürfte sicher sein – die Buchbranche muss sich zumindest darauf einstellen. Armin Cossmann, Leiter der deutschen Amazon-Logistikzentren, bestätigte in Pforzheim die Strategie: „Wenn Sie einen Service wie Same Day-Lieferung anbieten wollen, müssen Sie entsprechend nah beim Kunden sein.“