Die Urheberrechtsdebatte ist aus den Fugen geraten. Dabei geht es um weit mehr als "Künstler" oder "Musiker"; Arbeitsbereiche von Urhebern sind so individuell und unterschiedlich wie deren Vermarktungswege und Problemkonstellationen. Existenzgrundlage aller Kreativen ist dabei ihr Recht am eigenen Werk, das erst Entscheidungs- und Verfügungsgewalt über die Vermarktung ihrer Arbeit ermöglicht.
Reformbedarf hat dabei nicht das Urheberpersönlichkeitsrecht, sondern in erster Linie das Urhebervertragsrecht, das den Umgang mit Nutzungsrechten regelt: Eine Stärkung der Urheberposition hinsichtlich verbreiteter Total-Buy-Out- und Knebelverträge gehört ebenso dazu wie die Eindämmung ausufernden Abmahnwesens.
Hanebüchener Unfug, nicht zwischen den beiden Rechtsbereichen zu unterscheiden; geradezu blödsinnig auch, Kreativen das Recht abzusprechen, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen. Oder zu behaupten, eine Befürwortung des geltenden Urheberrechts bedeute gleichzeitig und quasi automatisch ein Anstreben rigider Kontrollmechanismen, Einschränkung von Grundrechten oder gar Befürwortung eines Überwachungsstaats.
In der mittlerweile hochemotional geführten Debatte entstehen Szenarien, die an Absurdität nicht mehr zu überbieten sind: Lahmgelegte Mailserver von Urheberrechtsinitiativen, böswillig anprangernd veröffentlichte Urheberadressen und aggressive Kommentare belegen ein gesellschaftliches Klima, das mit Formulierungen wie "Verdient Euer Einkommen gefälligst mit ehrlicher Arbeit" bestenfalls von mangelndem Respekt und Intoleranz Urhebern gegenüber zeugt.
Das Spitzweg-Idyll des "armen Poeten" ist dabei im Berufsalltag von Journalisten, Fotografen, Grafikern und vielen anderen Urhebern nichts als Fiktion: Talent, Ausbildung und Fachwissen reichen nicht; nur durch tragfähige wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Honorare aus Einzel- und Mehrfachverkauf von Werken, Tantiemen aus Wahrnehmungsverträgen mit Verwertungsgesellschaften und die vom Urheberrecht garantierte Entscheidungsfreiheit des Autors für individuelle Vermarktungswege entsteht überhaupt erst eine Schaffensbasis für Urheber.
Allerhöchste Zeit also, ergänzende Vergütungsmodelle wie zum Beispiel eine Kulturflatrate nicht nur zu diskutieren, sondern aufzubauen – unter Nutzung vorhandener Strukturen, anstelle neue Behördenmonster zu schaffen. Verwertungsgesellschaften könnten effizientes Rechte--Clearing, differenzierte Lizenz-modelle (CreativeCommons inbegriffen) und vernünftige Verteilungsschlüssel ermöglichen: Für die angemessene Beteiligung von Urhebern an Erlösen aus pauschalen Vergütungsmodellen, aber auch für vielfältige Kultur jenseits des Massengeschmacks.
In Erkenntnis des immensen ökonomischen Wertes geistigen Eigentums sprach der Filmhändler Leo Kirch von "Schürfrechten", vom "Öl des 21. Jahrhunderts". Umso fataler, dass sich die aktuelle Urheberrechtsdebatte fast ausschließlich auf wirtschaftliche und juristische Aspekte konzentriert, ohne die grundlegende Bedeutung von Kultur für die Gesellschaft zu verdeutlichen. Denn erst durch gesellschaftlichen Konsens wird Recht allgemeingültig; Akzeptanz geistigen Eigentums und dessen Wertes inbegriffen.
Gastspiel
26. Juni 2012
In der aktuellen Debatte wird nicht zwischen Urheberpersönlichkeitsrecht und Urhebervertragsrecht unterschieden. Das ist ein Fehler, meint die Fotografin und Autorin Heike Rost.