Bastei Lübbe

"Die Leser lassen sich gern am Zwerchfell packen"

26. Juli 2012
Redaktion Börsenblatt
Steffen Haselbach (Bastei Lübbe) im Interview über die Humor-Offensive im Sachbuch, den Wert des Promi-Faktors und die richtige Balance zwischen gedruckten und digitalen Inhalten.

Beim Sachbuch haben wir es mit einer äußerst heterogenen Warengruppe zu tun, deren Spektrum von Politik, Wirtschaft und Geschichte bis zur unterhaltenden Lebensberatung reicht – wie gehen Sie mit dieser Bandbreite um?
Die Warengruppenzuordnung ist in der Tat nicht immer einfach, das kann zu Positionierungsproblemen im Handel führen. Memoirs laufen etwa unter einer belletristischen Warengruppen-Nummer, auch Humor ist für uns Sachbuch, nicht aber für den Buchhandel. Bei der Programmgestaltung fragen wir uns allerdings nicht zuerst, in welche Schublade wir die Titel packen. Entscheidend ist vielmehr: Wo können wir etwas für die Buchkäufer erreichen, in welchen Themenfeldern sind wir zu Hause? Eine solche thematische Klammer kann zum Beispiel all das sein, was mit menschlichen Schicksalen, Reflexionen über gelebtes Leben zu tun hat – von Biographie und Autobiographie bis zu Memoirs. Wenn wir wissen, dass unsere Zielgruppe dafür offen ist, ist die Frage nach der Warengruppen-Nummer zweitrangig.

Der Erfolg gibt Ihnen recht...
Von Daniela Katzenbergers "Sei schlau, stell dich dumm" haben wir, trotz der beschriebenen Problematik, bislang über 300.000 Exemplare verkauft. Da ist es mir im Endeffekt egal, wo Media Control den Titel führt...

Ein wichtiges Marketing-Instrument ist die "Spiegel"-Bestsellerliste. Dort sollen Satire-Titel künftig der Belletristik zugeschlagen werden. Erwarten sie Auswirkungen auf den Verkauf?  
Wir sind sehr gespannt, was die Reform bringen wird. Mit Dieter Nuhr sind wir jetzt seit 16 Monaten auf der Sachbuch-Liste; er wird sich dann, wie andere erfolgreiche Comedians, mit Romanautoren messen müssen.  

Wie wichtig ist der Promi-Faktor im Sachbuch?
Sehr wichtig – gerade in Zeiten, da der Handel Flächen reduziert, deutlich vorsichtiger einkauft, nach "must have"-Titeln verlangt, an denen keiner vorbei kommt! Aber man kann eben auch daneben liegen, der Grat ist schmaler, als mancher denkt. Wenn die Kombination aus Medien-Prominenz und gewähltem Thema nicht stimmig ist, kann man mit einem guten Namen Schiffbruch erleiden.  

Während das Sachbuch insgesamt schwächelt, scheint der Trend zu mehr oder weniger unterhaltenden Inhalten ungebrochen?
Wir konnten im letzten Geschäftsjahr, gegen den Branchentrend, deutlich zulegen, nicht zuletzt durch Erfolge im Wachstumsbereich Humor und Satire. Natürlich sind auch große ernsthafte Stoffe nach wie vor erfolgreich. Aber dass die Humor-Schiene von allen Publikumsverlagen massiv bedient wurde, steht außer Frage. Eckart von Hirschhausen und andere haben gezeigt, dass sich die Leser in trüben Zeiten gern am Zwerchfell packen lassen. Der Unterhaltungsaspekt ist also wichtiger geworden - wobei wir auch sehen, dass sich witzige "Verpackung" und Tiefgang nicht ausschließen müssen: Titel wie "Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?" oder "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" arbeiten sich pointiert an gesellschaftlichen Phänomenen ab und erzeugen überraschend große Resonanz.

Im Taschenbuch sind bei vielen weniger Sach-Titel am Start. Ein Trend?
Für uns hat sich nichts geändert, wir bringen pro Saison zwischen 24 und 26 Titel. Insgesamt steht der Taschenbuch-Markt natürlich unter Beobachtung: Wir müssen von der Masse weg!

Wie steht es an der E-Book-Front?
Die Zuwächse sind erfreulich, wir sind da sehr aktiv. Die meisten Titel werden übernommen, wobei man zugegebener Maßen beim Sachbuch noch eher auf einen verzichtet. Der Markt ist noch nicht so weit. Die bange Frage ist natürlich, ob sich mit E-Books möglicher Weise zurückgehende Print-Umsätze kompensieren lassen. Fraglos wird sich das Geschäft aber mittelfristig anders aufteilen.  

In vielen Häusern wird mit neuen, wendigen Formaten experimentiert, die das Verlags-Image in digitalen Zeiten hoch halten sollen...
Auch da sind wir dran; 2013 wird es mit Sicherheit neue Formate geben. Letztlich geht es um die Frage, in welchen Intensitäten und Darreichungsformen ein und dasselbe Thema künftig gespielt werden kann. Vom klassischen Sachbuch gab es früher die Taschenbuch-Ausgabe, heute sprechen wir über verschiedenste Ausgabe-Formen im Printbereich, die sich natürlich auch elektronisch durchdeklinieren lassen.

Interview: Nils Kahlefendt

Steffen Haselbach ist Verlagsleiter Sachbuch bei Bastei Lübbe; der Ratgeber-Experte war zuvor bei der Stiftung Warentest, Gräfe und Unzer sowie Knaur tätig.

 

Mehr zum Thema finden Sie in unserem "Extra Sachbuch" im aktuellen Börsenblatt, Heft 30, ab Seite 33.