Interview mit Alexander Bob

"Ab jetzt beginnen die Verkaufsaktivitäten"

24. Juli 2012
Redaktion Börsenblatt
Die Franz Cornelsen Bildungsgruppe hat sich zu einem Strategiewechsel entschlossen. Im Interview erläutert der Vorsitzende der Geschäftsführung der Franz Cornelsen Bildungsholding, Alexander Bob, warum sich die Holding von namhaften Verlagen trennt und wie sie in digitale Innovationen investieren möchte.

Zu Ihrem heute angekündigten Strategiewechsel gehören auch Verkäufe. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?
Die Franz Cornelsen Bildungsgruppe wird sich künftig stärker auf die digitalen Herausforderungen ausrichten. Bei den Buchverlagen werden wir nur die Bereiche im Portfolio behalten, die sich in den jeweiligen Segmenten unter den Top 1-3 der Anbieter positionieren können. Wir verkaufen also die Bereiche, die keine Top-Positionen erreicht haben. Das gilt für den Verkauf des Wissenschaftsbereichs mit dem Oldenbourg Wissenschaftsverlag und dem Akademieverlag und das ist auch der Hintergrund für den Verkauf des Kinderbuchbereichs mit den Programmen Sauerländer und Meyers.

Gilt das auch für das Segment Nachhilfe, von dem Sie sich ebenfalls trennen wollen?
Der Studienkreis hat sich gut entwickelt, aber es gibt so gut wie keinerlei Synergieeffekte mit den restlichen Unternehmensteilen – obwohl wir das aufgrund der Zielgruppe der Schüler zunächst gedacht hatten.

Führen Sie schon erste Gespräche mit Kaufinteressenten?
Nein, wir haben heute erst die Mitarbeiter über den geplanten Strategiewechsel informiert. Ab jetzt beginnen wir mit den Verkaufsaktivitäten.

Wie haben die Mitarbeiter reagiert?

Die Reaktion ist je nach Betroffenheit unterschiedlich ausgefallen. Die Nachricht muss sich jetzt erst einmal setzen.

Das heißt, in Summe wird die Gruppe 2014 sichtbar weniger Mitarbeiter haben?
Ja, wir werden deutlich schlanker aufgestellt sein.

Sie haben mitgeteilt, dass Sie auch aus den Verkäufen resultierende Erlöse in die digitalen Geschäfte investieren werden. Welche Summen werden Sie in den digitalen Strategiewechsel und in den Aufbau eines digitalen Beteiligungsportfolios investieren?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer bezifferbar. Wir führen zunächst einmal eine sorgfältige Marktanalyse derjenigen Unternehmen durch, die uns interessieren und an denen wir uns gegebenenfalls beteiligen wollen. Mit Sicherheit werden wir einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen müssen, allerdings nicht auf einmal. Wir investieren über eine längere Wegstrecke, von der ich im Moment noch gar nicht sagen kann, wann sie enden wird – entscheidend ist aber, wann man beginnt.

Sie wollen auch in den Schulverlagen verstärkt in digitale Angebote investieren. Wann wird es im Schulbereich richtig losgehen?
Es ist ein sukzessiver Prozess, zur Didacta 2013 wollen wir als marktführender Anbieter neue Angebote für Schulen offerieren, die den Markt in Bewegung bringen.

Wie groß ist heute die Nachfrage nach digitalen Lehrmitteln in den Schulen, zumal diese meist chronisch finanzklamm sind?
Das ist letztlich die klassische Frage nach Henne und Ei. Denn gibt es zu wenig digitale Software-Angebote, lohnt die Anschaffung der Hardware wie Whiteboards etc. nicht wirklich. Bislang haben wir die Anforderungen der kultusministeriellen Lehrpläne  mit entsprechenden Angeboten beantwortet – jetzt wollen wir den Schulen zusätzliche Angebote machen und ihnen damit Investitionssicherheit geben, in Hardware und digitale Inhalte zu investieren.

Das heißt, Sie setzen die Schulen ein bisschen unter Zugzwang? Und müssen Ihre neuen Produkte nicht auch vom jeweiligen Kultusministerium eines Bundeslandes genehmigt werden?
Im internationalen Vergleich liegen wir beim Einsatz digitaler Möglichkeiten in Deutschland heute schon hinter anderen Ländern zurück, und unsere Umwelt wird nun einmal jeden Tag ein bisschen "digitaler". Insofern sind wir nicht der Treiber. Und ich finde ein Genehmigungsverfahren für in Schulen eingesetzte Produkte unverändert gut: Es verhindert, dass atomisiertes Wissen vermittelt wird.  Ein Lehrplan mit Lernstoff, der aufeinander aufbaut, ist mehr als eine Ansammlung von Wissensfragmenten, die als Youtube-Videos verfügbar sind.

Auch im Kalenderbereich soll es digitaler werden – unter Einbeziehung des Sortiments?
Richtig! Voraussichtlich Ende September wollen wir mit der Kalender-Plattform Calvendo starten. Dort können Wandkalender thematisch und individuell zusammengestellt und dann gedruckt werden. Die Kalender werden über das VLB auch vom Sortiment bestellbar sein.

Bei so viel elektronischem Einsatz: Muss man bei der Fahrt mit dem digitalen Zug die Print-Waggons abkoppeln?
Print bleibt weiter wichtig. Gerade im Schulbereich wird das Buch auf absehbare Zeit das Leitmedium darstellen. Es geht um eine wohl überlegte und dosierte Weichenstellung, um Ihr Bild aufzugreifen. Wo können wir vorhandene Angebote um digitale Produkte oder Services ergänzen? Mit unseren Verlagsbereichen sind wir künftig jeweils erstklassig positioniert. Die Buchprogramme führen für jede Buchhandlung Brot- und Butter-Titel. Unabhängig davon, ob es sich um Meyers Weltatlanten oder den Rechtschreibduden handelt.