Digitalisierung

"Noch verkaufen wir E-Books in homöopathischen Dosen"

8. November 2012
Redaktion Börsenblatt
Wie entwickelt sich der digitale Markt beim Kunstbuch? Fragen an Martin Wichert, Vertriebsleiter bei Hatje Cantz.

Hatje Cantz bündelt seine E-Books unter der Überschrift Kunst Digital. Wie groß soll das Segment der digitalen Kunst denn werden in Ostfildern?

Wichert: Wir machen seit zwei Jahren E-Books – beispielsweise erscheinen unsere eher textorientierten Bände der Reihe „Kunst zum Lesen“ auch in digitaler Form. Die „Notizbücher“ zur diesjährigen documenta sind ebenfalls parallel als Printausgabe und als E-Book erschienen. Natürlich möchten wir das  digitale Segment weiter ausbauen. Dort, wo es von Autoren und Museen gewünscht ist und wo es Sinn macht. 

Und wo macht es aus Ihrer Sicht Sinn?

Wichert: Da, wo das digitale Kunstbuch über eine Eins-zu-Eins-Übertragung der Printausgabe hinausgeht – damit reden wir über Enhanced E-Books. Es geht darum, digitalen Zusatznutzen zu stiften. Genau das versuchen wir aktuell mit unseren Titel „Meister Klee. Lehrer am Bauhaus“. Die digitale Version im ePub-Format bietet Zugang zur Online-Datenbank www.kleegestaltungslehre.zpk.org. Ein Forschungsprojekt hat rund 3900 Manuskriptseiten von Klee, darunter Vorlesungen, Übungen, Skizzen, gesichtet und faksimiliert. Mit über1000 Links kann der Leser direkt darauf zugreifen. Diese Verknüpfung erschließt das Archiv auf neue Weise. In dieser Richtung wird sicher noch mehr entstehen. Voraussetzung ist: Digitales Material muss vorhanden sein. 

Setzen Sie bei Kunst Digital eher auf E-Books als auf Apps?

Wichert: Ja, denn die Programmierkosten für Apps sind hoch – und das E-Pub3-Format bietet mittlerweile genug Möglichkeiten der digitalen Anreicherung. Wir haben für 2013 schon spannende Projekte im Köcher, über die ich jetzt aber noch nichts sagen möchte.

Mit welchen Vertriebspartnern arbeitet Hatje Cantz aktuell zusammen?

Wichert: Mit den bekannten Plattformen wie Apple, Ciando, libreka, divibib. Mit Amazon verhandeln wir gerade.

Wie sind Ihre Erfahrungen beim Absatz? Sind Sie zum Beispiel mit den Verkaufszahlen der digitalen „Notizbücher“ zur documenta zufrieden?

Wichert: Ehrlich gesagt – digital haben wir die Notizbücher in homöopathischen Dosen verkauft. Ein großes Problem der E-Books ist aus meiner Sicht der fehlende Aufmerksamkeitswert, die mangelnde Präsenz im Netz.  Zumindest, wenn Sie dabei nicht mit dem Pfund eines belletristischen Bestsellerautors wuchern können. 

Fehlt auch ein gewisser Nachfragedruck am Markt?

Wichert: Die Nachfrage am Markt ist im Moment so gut wie gar nicht vorhanden. Gleichzeitig gibt es natürlich das Bedürfnis der Verlage, entsprechende Angebote zu machen. Und den deutlichen Wunsch der Museen, im digitalen Bereich Flagge zu zeigen. Auch wenn viele unserer Partner nicht wirklich wissen, welche Kosten und welcher Aufwand damit verbunden sind. Im Moment ist der E-Book-Markt im Kunstbuch eher eine Spielwiese, ein Experimentierfeld, um sich für die Zukunft aufzustellen.

Dafür scheint sich das gedruckte Kunstbuch derzeit gut zu verkaufen. Media Control GfK International hat für die Monate Januar bis September 2012 ein Umsatzplus von 2,4 Prozent für die Warengruppe 58 ermittelt. Spüren Sie den Aufwind?

Wichert: Ich würde eher von einem stabilen Markt als von Wachstum sprechen. Media Control spiegelt ja nur einen Teil der Vertriebswege und damit des Marktes wider. Aber mit stabilen Zahlen können wir letztlich ja alle zufrieden sein. 

Läuft auch das Geschäft mit den Museen stabil - oder ist der Katalogmarkt schwieriger geworden? 

Wichert: Das Museumsgeschäft ist noch nie leicht gewesen. Konkurrenz-, Kosten- und Termindruck sind hoch. Daran hat sich nichts geändert. Aber für Hatje Cantz läuft das Kataloggeschäft nach wie vor gut. Was mir eher Sorgen bereitet, ist ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel. Die Ausstellungen sind voll, aber die Bereitschaft, Kunstbücher zu kaufen, vielleicht auch eine private Bibliothek aufzubauen, lässt nach. Bücher gehören nicht mehr so selbstverständlich zum Leben dazu wie früher. Zudem verliert das Kunstbuch als reiner Informationsträger an Bedeutung – schließlich finden sich alle Daten über Künstler längst im Internet. Im Gegenzug wandelt sich das Kunstbuch zum Schaustück. Die Machart, der Objektcharakter wird wichtiger. Was den Kunstbuchverlagen natürlich auch neue Möglichkeiten eröffnet.

Mehr zum Kunstbuchmarkt und den Digitalisierungsprojekten der Verlage lesen Sie in der aktuellen Printausgabe des Börsenblatts, die heute erschienen ist - im Extra "Kunst & Architektur".