Ratgeberverlage gehen auf Themensuche

Wissen, was Eltern bewegt

22. November 2012
Redaktion Börsenblatt
Klassiker machen Auflage: Die Sellerlisten für Erziehungsratgeber – veröffentlicht in unserem Extra Eltern & Erziehung – werden von bekannten Titeln dominiert, Newcomer sind rar. Warum das so ist und wie es Verlage dennoch schaffen, neue Trends anzustoßen?
Eltern setzen offenbar auf das Vertraute: "Die Backlist spielt im Erziehungsbereich unter anderem auf Grund der Weiterempfehlungen so eine große Rolle", erklärt Gräfe und Unzer (GU). "Die Mütter wollen verlässliche Literatur und verlassen sich auf Bewährtes."

Darauf die passenden Antworten zu finden, stellt an die Programmmacher recht hohe Anforderungen – bedeutet letztlich einen Spagat: Sie müssen das Neue im Blick behalten, ohne deshalb das Bewährte aus den Augen zu verlieren. boersenblatt.net fragte zwei Verlage, wie es Ihnen das gelingt:

Christine Kluge, Stellvertretende Verlagsleiterin für GU Partnerschaft & Familie

"Zum einen stehen wir im regelmäßigen Austausch mit vielen Experten, die entweder in der Forschung oder durch ihren Beruf direkt mit der Zielgruppe in engem Austausch stehen. Zum anderen verfolgen wir natürlich die Zeitschriftenlandschaft für Eltern und Familien. Bei monatlichen Erscheinungsrythmen werden dort neue gesellschaftliche Strömungen schnell sichtbar. Und nicht zuletzt sind auch unsere Redakteure Mütter und Väter. So erleben sie täglich hautnah, welche Bedürfnisse, Sorgen und Entwicklungen Eltern mit Kindern bewegen."

Claus Koch, Verlagsleiter Sachbuch und Ratgeber bei Beltz, zieht um die Zielgruppe zwar ein ähnlich weiten Kreis – setzt dabei jedoch andere Schwerpunkte. "Neben den gewohnten Zugängen (Stammautoren, Agenturen, eingesandte Manuskripte etc.) spielen gerade bei den Elternratgeber die direkten Erfahrungen betroffener Eltern eine immer größere Rolle", sagt er. "Diese Erzählungen beinhalten ein hohes Maß an Authentizität, an Ehrlichkeit und persönlicher Erfahrung, in der andere Eltern sich wiedererkennen und der sie vertrauen. Dabei spielt der Blick ins Netz und auf Texte, die von 'Betroffenen' häufig zuerst hier veröffentlicht werden, sei es in Form von Blogs oder Books on demand, eine immer wichtigere Rolle."

Beltz ist auf diese Weise zum Beispiel auf Eva Solmaz gestoßen und ihr unkonventionelles Einschlafbuch  "Besucherritze". Koch: "Dass es ein Book on demand schafft, sich in den Bestsellerlisten von Amazon über Monate so weit vorne zu halten, zeigt, dass es der Zielgruppe aus dem Herzen sprach." Die Autorin gehe beim Thema "Schlafen lernen" von Babys und Kleinkindern von ihren eigenen Erfahrungen mit ihrem Kind aus, von den Erfahrungen ihrer Freunde und Bekannten. "Sie war in der gleichen Situation wie andere Eltern", meint Koch. "Solche authentischen Ansätze vermeiden das Rezeptartige mancher Ratgeber, indem sie auch mit Abstand und Ironie, über eigene Erfahrungen schreiben, ohne belehren zu wollen." Ein  unerschöpflicher Pool für Themen sind außerdem die gesellschaftlichen Debatten – etwa der Streit um das Betreuungsgeld.

Die Bestsellerlisten der vergangenen Monate bestimmen dennoch eher die Klassiker. Übers Jahr betrachtet, schafften es in beiden Warengruppen (467, Schwangerschaft und 484, Familie, siehe hier) insgesamt gerade einmal zwei Novitäten unter die Top 10 – Vivian Weigerts Ratgeber "Babys erstes Jahr" (Gräfe und Unzer) und "Wer sagt, dass Kinder glücklich machen?" von Evelyn Holst und Eva Gerberding (Südwest).

Die meisten Backlist-Bestseller kommen von Random House in München, veröffentlicht bei den Imprints Goldmann, Mosaik und Südwest. Als Favorit erwies sich einmal mehr "Oje, ich wachse!" von Frans X. Plooij und Hetty van de Rijt (Goldmann). Laut Verlag erreichte der Titel in Deutschland bis heute eine Gesamtauflage von 850.000 Exemplaren. Weitere Goldmann-Erfolge:

  • Michael Winterhoffs "Warum unsere Kinder Tyrannen werden" (ET: 2008) verkaufte sich bislang insgesamt 700.000 mal.
  • "Papa to go" (ET 2010) von Christian Busemann kommt auf 60.000 verkaufte Exemplare, 
  • "Das glücklichste Baby der Welt" von Harvey Karp (ET: 2003) auf 80.000 Exemplare. 


Backlist-Bestseller anderer Verlage:
 

Annette Kast-Zahn landete 1995 mit ihrem streitbaren Ratgeber "Jedes Kind kann schlafen lernen" einen Coup – es gibt kaum Eltern, die das Buch nicht kennen. Zuerst erschien es bei Oberstebrink, 2006 wechselte Kast-Zahn dann zu Gräfe und Unzer. Seitdem sind von ihren Titel (u.a. auch "Jedes Kind kann regeln lernen") ca. 350.000 Titel verkauft worden.

Ähnliches Thema, anderer Verlag – und ein Backlist-Bestseller neueren Datums: "Schlafen statt Schreien" von Elizabeth Pantley. Der Ratgeber erschien 2009, Trias zählte bis heute 40.000 verkaufte Exemplare.           

Bei wem sich Eltern schon Jahren Rat holen? boersenblatt.net stellt fünf Autoren vor – hier.


Mehr zum Thema lesen Sie auch im Börsenblatt-Extra Eltern & Erziehung, das heute erscheint.