Ich bin nicht Michael Krüger, ich bin so was nicht gewöhnt. Ich sammle nicht Nobelpreisträger, habe keinen Philip Roth im Programm und werde nie den Breitbachpreis bekommen. Ich bin ein österreichischer Kleinverleger, und Erfolg war für mich, wenn wir von Klaus Reicherts Übersetzung der Shakespeare-Sonette eine zweite Auflage machen konnten oder wenn Xaver Bayer eine große Besprechung in der "Zeit" hatte oder wenn Ursula Krechel den Breitbachpreis bekam. Das waren die Momente, in denen meine Verlegerseele mir zuflüsterte: Siehst du, hat sich doch gelohnt. Jetzt, nach dem Deutschen Buchpreis, und das auch noch zum zweiten Mal in wenigen Jahren, habe ich immerhin eine Ahnung davon, wie es ist, im Oktober Michael Krüger zu sein: Fühlt sich nicht schlecht an.
Anders gesagt: Es ist ein tolles Gefühl. Unglaublich. Unfassbar. Geradezu unerhört. Aber es gab auch, noch auf der Messe, Momente der Ratlosigkeit, Momente, in denen ich, ständig von allen Seiten beglückwünscht, dachte: Das also ist der wahre Erfolg – nicht, dass du das Buch im Programm hast, sondern dass du den einzigen Preis hast, der wirklich Verkäufe garantiert. Hohe Verkäufe. Beneidenswerte.
Damit das klar ist: Ich habe nichts gegen Verkäufe, wahrlich nicht. Ich finde auch, dass Geld eine überaus nützliche Sache ist, vor allem, wenn man es selbst hat. Die Freude für Ursula Krechel und ihr Buch ist gewaltig, und ich weiß darüber hinaus das Echo sehr zu schätzen, das der Verlag damit gewonnen hat: Es wird den übrigen und den kommenden Büchern des Hauses helfen. Es wird den Verlag nicht unbedingt größer, aber stärker machen. Es wird uns anspornen. Und es wird dem Buchhandel zeigen, dass man Bücher wie die unseren auch verkaufen kann. Denn "Landgericht" wird zwar jetzt überwiegend des Preises wegen gekauft, aber die Reaktionen zeigen: Es wird auch mit großer Anteilnahme gelesen, obwohl oder vielleicht auch gerade weil es nicht durchgehend sogenannte leichte Lektüre ist. Was auch immer die Motivation bei der Erfindung dieses Preises war: Er wurde am Ende an Bücher vergeben, die ihn wert waren.
Vor Jahren habe (auch) ich übrigens einmal den "FAZ"-Fragebogen ausgefüllt – still für mich natürlich –, und an zwei Antworten kann ich mich noch erinnern: Mein Lieblingsort war Helsinki – es würde zu weit führen, das jetzt zu erklären –, und als schlechte Eigenschaft gab ich an: Geduld, und das, weil alle sonst immer Ungeduld als ihre mieseste Eigenschaft nannten.
Den Fragebogen der "FAZ" gibt es ja nun schon lange nicht mehr, dafür aber den des Börsenblatts, und auch da habe ich kürzlich, still für mich, wenigstens eine der Fragen beantwortet, und zwar diese: "Mit wem würden sie gern für einen Tag den Platz tauschen?" Und meine Antwort war: Mit mir. Muss doch interessant sein, dachte ich, jemandem über die Schulter zu blicken, der man selbst ist und der einen derart unberechenbaren Erfolg hat. Ich vermute allerdings, dass das, was ich da zu sehen bekäme, nicht sehr aufregend wäre. Nicht mehr, aber auch nicht viel weniger als jemanden, der sich freut: Überrascht. Überwältigt. Überhaupt.
Wie sagte doch der große Frankfurter? "Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von schönen Tagen." Hier irrte Goethe.